Ich habe kein Netz – Mein Kopf ist leer

Mein erstes Mobiltelefon war beinahe noch ein Funkkoffer. Dann wurden die Mobiltelefone immer kleiner, aber eben im Laden meines Mobilfunkbetreibers sah ich, jetzt werden sie wieder größer, die Smartphones und iPhones und wie sie alle heißen. Früher trug man quasi eine Telefonzelle mit sich rum, heute steht in dieser Zelle noch ein Computer. Aber alles ist so winzig, dass es in eine kleine, flache Plastikschachtel passt. Wenn die jetzt noch einen Kaffeeautomaten mit einbauen könnten, hätte man ein mobiles Büro. Geht leider nicht. Einen Kaffeeautomaten könnte selbst apple nicht so verkleinern, dass er in ein „iPhone to go“ passt.

Aber man könnte Kaffeestationen über das Stadtgebiet verstreuen mit Kaffeeautomaten, die ans Internet angeschlossen ist. Ich frage mein Smartphone nach Kaffee, und sofort sucht es im Internet die für mich zuständige Kaffeestation, gibt mir eine Wegbeschreibung und bestellt den Kaffee im Voraus, genau abgestimmt auf mein Schritttempo. Ich rein in die Kaffeebude, kann auch ein Internetcafé sein, der Kaffeeautomat begrüßt mich schon und fragt, ob ich Milch und Zucker will.

In zehn Jahren wird man lachen über die rückständige Technologie der Smartphones, wo man mit dem Finger auf dem Display hantieren musste. Man hat einen Computerchip unter der Kopfhaut, der einem alles vor die Augen spiegelt. Gesteuert wird er mit Gedanken. Ab und zu wird man einen auf der Straße stehen sehen, der eine imaginäre Tasse zum Mund führt und unsichtbaren Kaffee trinkt. Er selbst sieht und schmeckt den Kaffee, es wird ihm alles ins Gehirn simuliert. Freilich: Wer nur die Standardsoftware auf seinem Gehirnchip hat, sieht sich in einer verrotteten Kaffeebude stehen und schmeckt Spülwasser. Will er guten Kaffee und im Café sitzen, muss er kostenpflichtige Apps freischalten lassen. Man kann dann gemütlich imaginären Kaffee trinken und gleichzeitig im Internet unterwegs sein, um sich zum Beispiel mit Google-Street-View anzusehen, wie es da wirklich aussieht, wo man gerade steht. Oder bei Wikipedia sich über den Aufenthaltsort informieren, denn inzwischen gibt es über jede Straßenlaterne, über jeden Bordstein einen Eintrag.

Spätestens wenn die
fassbare Welt sowie die von außen über Mobilfunkanbieter simulierte Welt derart miteinander verschmelzen, werden die ersten durchdrehen, weil sie das Missverhältnis nicht aushalten zwischen der realen Welt und der Simulation im Gehirn, was in etwa dem Erleben von Schizophrenen gleicht. Aber so weit sind wir glücklicherweise noch nicht.

„Ihre Sim-Karte ist ja schon uralt!“, sagte der smarte Jungverkäufer hinter der Ladentheke meines Mobilfunkanbieters. „Die müssen wir austauschen.“
„Und mein Mobiltelefon hat dann wieder Netzanschluss?“
„Ich setze Ihnen jetzt eine neue Sim-Karte ein, dann geht es wieder. Die Simkarte wird im Laufe des Nachmittags freigeschaltet.“
„Dann kann ich jetzt gar nicht prüfen, ob mein Handy wieder Netzanschluss hat?“
„Erst, wenn die Sim-Karte freigeschaltet ist.“

Toll. Zu Hause habe ich einen neuen PIN eingegeben, die Simkarte war offenbar freigeschaltet, aber mein Mobiltelefon hat weiterhin keinen Netzanschluss. Ich habe kein Netz, na so was. Hab mir gleich gedacht, dass meine alte Sim-Karte unschuldig ist. Wenn ein Auto keinen Sprit hat, nutzt es auch nichts, die Zündkerzen auszutauschen. Diese smarten Verkäufer in den Handyläden wissen so gut wie nichts. Sie können allein Verträge verkaufen und Sim-Karten austauschen. Aber selbst wenn sie bereits ein Maschine-Mensch-Interface unter der Kopfhaut hätten und direkt verbunden wären mit ihrem Unternehmen, sie wüssten kaum mehr. Denn Wissen wird in großen Unternehmen streng hierarchisch verteilt. Falls es in dieser Zukunft noch soziale Medien im Internet gibt, könnten die Verkäufer sich aber in Foren schlau machen. Wenn soviel Wissen in ihre dem Denken entwöhnten Köpfe passt und vorausgesetzt, dass ihr Chip auch Netzanschluss hat.

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