Sonntagstour über die Grenze – in fünf Etappen

Heute ist viel Betrieb auf den engen Straßen, denn man kann eine Kunstroute laufen. Also, wenn wir das in der kurzen Zeit machen wollten, müssten wir die Mentalität mancher Japaner haben, rein in die Halle, knippsen, wieder raus. Das habe ich in der neugotischen Vaalser Kerk schon beobachtet. In den Kirchenschiffen hängt Kunst am Pfeiler. Doch an den Wänden ist kein Platz. Man kann schließlich die gemalten Kreuzwegsstationen nicht mit moderner Kunst überhängen. Darum lehnen einige große Bilder an den holzgeschnitzten gotischen Beichtstühlen. Das macht die Ohrenbeichte unmöglich. Hoffentlich gibt es heute keinen Beichtnotfall. Ein Bild vor den Beichtstuhltüren zeigt zwei surreal anmutende Personen in Kokons, die gen Himmel schweben. Man denkt an aufsteigende Seelen.

Drüben in der Koppermolen hängen eindrucksvolle Porträts und Gruppenbilder von jüdisch aussehenden Menschen, Männer, Frauen, Kinder. Und obwohl nichts davon auf den Bildern zu sehen ist, weiß man, es geht um den Holocaust. Das ist wirklich beeindruckend. Mir ist da ganz flau. „Das haben eure Väter gemacht“, sagte der Herbergsvater auf Texel an den Gräbern russischer Zwangsarbeiter.

Leider … – und jetzt gehen wir wieder in die Sonne, leider habe ich nur das Handy bei mir, und es ist verflixt schwierig, mit diesem Gerät ein gutes Foto von einem Gemälde zu machen. Bei Handyfotos sind sehr viele Zufälle im Spiel. Eigentlich finde ich das gut. „Mit Material kann jeder arbeiten“, sagte mein Geselle, als ich das Schriftsetzer-Handwerk erlernte – wenn ich mich über fehlendes Satzmaterial beklagte. Dieser Satz hat mich mein ganzes Leben begleitet. Später sagte ein Kunstprofessor: „Je enger meine Grenzen, desto größer meine Freiheit“. Die beiden Aussagen gehören zusammen, und allmählich verstehe ich auch die zweite. Sehr gern wollte ich die Blei- und Holzbuchstaben im Schaufenster der Druckerei de omroeper fotografieren, aus, zugegeben, nostalgischen Gründen. Doch es ist mir nicht vergönnt. Ich will Schrift aufs Bild bannen und fotografiere mich selbst. Das passt irgendwie, denn ich habe mich mein ganzes Leben mit Schrift beschäftigt.

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