Weinen mit Winzern – Volontär Schmock regt sich auf

„Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben.“

Ähnlich wie Leibniz war es mir heute Morgen gegangen. Da hatte ich mir gewünscht, mit zehn Fingern schreiben zu können, damit ich auf einen Schlag einen Tsunami losgeworden wäre, um wieder ein bisschen Platz und Ordnung im Oberstübchen zu haben.

Leibniz kennen? Warum denn?
Meine Unterschrift wollte ein Mann, der mich gestern Abend vor einem Supermarkt ansprach. Er hielt mir einen Kuli und ein Klemmbrett mit einer Liste hin. „Warum?“ „Wir wollen die Stadt dazu zwingen, einen Film über Leibniz zu machen. Der Name Leibniz ist jedem in Hannover bekannt. Aber keiner weiß, wer Leibniz war.“

„Sie haben ja Sorgen. Für diesen Blödsinn stellen Sie sich in die Kälte und quatschen Leute an? Ich weiß, wer Leibniz war.“ Da examierte er mich und musste nachher zugeben. „Na gut, dann sind Sie einer der wenigen, der etwas über Leibniz weiß!“ „Dann darf ich jetzt einkaufen gehen? Meine Unterschrift kriegen Sie aber nicht“ „Wir wollen Ihnen doch nichts verkaufen!“, ruft er mir noch hinterher. Von wegen. Am Ende geht’s nur wieder um Werbung für den trockenen Keks, den Hermann Bahlsen 1891 dreist nach Leibniz benannt hatte. Die Okkupation großer Namen durch Unternehmen ist eine Pest.

Galileo Galilei in Geiselhaft
Mir geht ja schon das eitle Kopfwackeln von Wissenschaftsmoderator Ranga Yogeshwar auf den Geist oder das kindische, analfixierte Getue von Quarks-Adept Ralph Caspers. Doch was Pro7 unter dem Namen des Universalwissenschaftlers Galileo als „Wissen“ verbreitet, ist an Lausigkeit nicht zu überbieten. In der Ausgabe vom 10. Dezember „klärten“ sie die „größten Mythen über Konsumgiganten.“ In einer albernen Filmhandlung treffen sich zwei schöndoofe Konsumzicken beim Shopping und sondern angebliche Konsumgigantenmythen ab. Die Galileo-Redaktion „klärt“ die Mythen in Einspielern auf, ob beispielsweise der Weihnachtsmann tatsächlich die Erfindung von Coca-Cola ist. Was der staunende Galileofan nicht erfährt: Die gesamte „Aufklärung“ hatte die Galileo-Redaktion von der Coca-Cola-Homepage abgeschrieben oder man hat sich den Beitrag gleich von der Marketingabteilung des „Konsumgiganten“ schreiben lassen. Vermutlich steht überhaupt dieses betrügerische Konzept hinter Galileo, mit dem weißen Kittel der Wissenschaft, popeliges Product Placement zu tarnen.

Pimp my brain
Man muss sich aber nicht wundern über den Geisteszustand der Leute bei dem Verblödungspotential der Medien und der Verkommenheit unseres dreigliedrigen Schulsystems. Der Gradmesser für unsere Schulen ist neuerdings der Pisatest. Ho ho ho! Die deutschen Schüler haben diesmal besser abgeschnitten als zuvor und bekleiden jetzt eine Rangstelle kurz hinterm Komma! Vermutlich hätten unsere Schüler nur gelernt, den Fragebogen richtig anzukreuzen, meinte kürzlich ein „Experte“. Da zeigt sich die ganze Albernheit von PISA. Unsere PISA-besoffene Journaille vergisst regelmäßig zu fragen, was der Test eigentlich misst, wer die Kriterien in wessen Interesse festgelegt hat. Selbstständiges Denken, kritisches Bewusstsein oder gutes Sozialverhalten fragt man mit dem PISA-Test jedenfalls nicht ab. Es geht laut OECD um die „Entwicklung von Humankapital“ für die Wirtschaft. Schon der Begriff sollte einen stutzig machen. Er taucht nämlich in keinem unserer Lehrpläne auf. Aber indem die OECD mit dem Pisatest ihre eigenen fragwürdigen Normen setzt, wirkt sie natürlich auf die Gestaltung unserer Lehrpläne zurück. Und wir kriegen den verdummten, marktkonformen Menschen raus. Solche Deppen wollen wir zwar eigentlich nicht, sie passen aber exakt zur Merkelschen „marktkonformen Demokratie“.


Sternstunde des Wortspiels – Weihnachtsweinen mit Winzern

Nette Weihnachten!
Meine Logopädin wollte gestern mit mir Weihnachtslieder singen. Ob ich „O du fröhliche“ kenne. „Ja, aber ich glaube nicht, dass ich den Text singen will.“ Da einigten wir uns auf „Lasst uns froh und munter sein“, aber ohne Text, nur „Lalala“, sonst hätte ich nämlich weinen müssen über das Missverhältnis zwischen den Worten und dem nervigen Konsumklingelblitzeling der Realität.

„Nette Weihnachten!“ rief ein Mann auf dem Weihnachtsmarkt im versnobten Stadtteil List einem Bekannten hinterher. „Nette Weihnachten!“, sagt man das neuerdings? Wenn „nett“ der kleine Bruder von „scheiße“ ist, wie mir Gewährsleute versichert haben, dann ist Weihnachten endlich auch sprachlich im beschissenen Irrenparadies angekommen. Gedacht haben es schon viele, wenn sie hemmungslose Vermarktung weihnachtlicher Gefühle beklagt haben, deren erbärmlichster Ausdruck das Gedudel von Weihnachtsmusik im Shoppingcenter oder das Glöckchengebimmel des Coca-Cola-Weihnachtstrucks ist. Schon gesehen, den Coca-Cola-Weihnachtstruck? Ich kenne einen, der ihn schon mal gesehen hat beziehungsweise, der einen kennt, der den Coca-Cola-Weihnachtstruck schon gesehen hat.

Roter Hirsch
Mein lieber Herr Gesangsverein, da fahren die Amerikaner sinnlos mit gepimpten Sattelschleppern durch ganz Deutschland und vereinnahmen alles, was noch an Gefühlen in den dumpfen Herzen der Konsumbürger übrig ist, schaffen damit sogar einen Scheinmythos gleich dem Weißen Hirschen, dass einer wie der gestandene Soziologe Herr Putzig sagt, er kenne einen, der den Coca-Cola-Weihnachtstruck schon gesehen hat. Dabei kann man auf der Coca-Cola-Homepage die Fahrtrouten und Halteorte, nach Datum geordnet nachsehen. Die Inszenierung im Werbespot müsste aber reichen. Ersatzweise glotz den Mediamarkt-Weihnachtsbus an, den Mannschaftsbus von Bayern München oder diesen spektakulären Herrenspagat:

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Humankapitalist – Ein Mann schafft den extremsten Spagat aller Zeiten zwischen seiner Familie in Hamburg und seinen Überstunden bei der Firma in München

Reichlich naiv war die Forderung einiger Oppositionspolitiker, „Herrn Snowden“ (Hans-Christian Ströbele) in Deutschland Asyl zu gewähren. Wer sollte Edward Snowden denn bei uns vor dem Zugriff der US-Geheimdienste schützen? Die Amerikaner schalten und walten doch in Deutschland wie sie wollen. Sie würden Snowden im Nu aufspüren, und schon säße der arme Kerl in Handschellen und mit einem Sack überm Kopf im als Weihnachtstruck getarnten CIA-Mobil und kriegt sie zum Bimmelim der Weihnachtsglocken links und rechts um die Ohren, bis er die Engelchen flöten hört.

Wir dagegen:
Enya
Only Time

Fitzelskram (Update)
Der Papst wurde vom Time-Magazin als „Mann des Jahres“ auf den Titel gehoben. Das ist eine durchaus fragwürdige Ehre. Im Jahr 1938 kürte Time nämlich Adolf Hitler.
* Gestern wäre ein besonderes Datum gewesen, fand die zahlenmagisch verwirrte Journaille. In Holland sei gestern ein Mädchen genau um viertel nach zwei geboren, meldet Studio Brussel. In Zahlen ausgedrückt: Am 11.12.13 um 14:15. Toll! Wie gehts weiter? Die junge Mutter ist erst 16 und gibt als mögliche Väter 17 oder 18 Männer aus dem Gangbang an. Am 19. verlassen Mutter und Kind die Klinik und haben für den Rest des Monats noch genau 20,21 Euro zum Leben, hehe!

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