Vom richtigen Umgang mit Fernsehstars

Letztens habe ich den Moderator einer Kindersendung im TV gesehen. Er war Gast in einer anderen Sendung, plauderte locker und sang sogar, obwohl er keine Musiksendung, sondern eine Wissenssendung moderiert. Den Mann habe ich einmal vor Jahren getroffen, als ein gemeinsamer Freund umziehen wollte. Der TV-Moderator brachte einen großen Werkzeugkoffer mit, stand aber nur linkisch herum, derweil wir anderen im Schlafzimmer einen riesigen Kleiderschrank zerlegten. Er fühlte sich sichtlich unwohl, hatte freilich schon bei seinem Auftauchen nicht gewirkt, als könnte er ordentlich mit anpacken, und auch sein Werkzeugkasten wirkte wie Dekoration.

Ich habe mich damals sehr gewundert über die Diskrepanz in seinem Verhalten. Vor der Kamera zeigte er sich locker und selbstbewusst, im einfachen Leben so schüchtern und linkisch. Jetzt habe ich ihn wieder im TV gesehen, er plauderte launig und sang sogar. Freilich war er in die Sendung eingeladen worden in seiner Eigenschaft als Fernsehstar, musste sich gar nicht erst beweisen, sondern wurde freundlich anmoderiert und mit Applaus empfangen. Vor Jahren schon hatte in der Titanic der Befund gestanden, dass Fernsehstars am liebsten andere Fernsehstars in ihre Sendungen einladen, was also eine herrliche Inzucht ist, eine Parallelwelt, die sich immer weiter vom einfachen Leben entfernt, wie ja das Universum sich auch immer weiter ausdehnt und zwischen den Galaxien gewaltige Abgründe des Nichts entstehen lässt.

Es hat aber damals an uns anderen Umzughelfern gelegen, dass der Kinderfernsehstar so linkisch herumgestanden ist. Wir hatten versäumt, ihn mit Applaus zu empfangen und seinen Werkzeugkoffer gebührend zu loben. Allerdings hat unser gemeinsamer Freund ihn auch nicht anmoderiert. Das hätte er besser machen können und wir hätten auch etwas besser machen können, etwa sagen: „Hey, du bist ja der berühmte Kindersendungsmoderator, wo immer so herumkaspert. Welche Ehre, mit dir gemeinsam über den Kleiderschrank unseres gemeinsamen Freundes herzufallen.“ Und er wäre aufgetaut, hätte sich zu seinem Werkzeugkoffer hinabgebeugt, ihn geöffnet, einen Akkuschrauber herausgeholt, ihn in die Runde gezeigt und hätte gesagt:

„Das hier ist ein Akkuschrauber. Man kann einiges damit machen, beispielsweise die Holzschrauben aus einem Einbaukleiderschrank herausziehen. Falls alle Schrauben aber schon herausgezogen sind wie bei diesem Einbaukleiderschrank, kann man den Akkuschrauber umschalten und alle Schrauben wieder hineindrehen, seht ihr … brouuuutsch … brouuuutsch … brouuuutsch!“

Der TV-Moderator hätte vor lauter Begeisterung über unsere staunenden Gesichter alle Schrauben wieder versenkt, … brouuuutsch … brouuuutsch … brouuuutsch, die wir vorher in mühevoller Arbeit herausgezogen hatten. Es ist also wirklich besser, wenn man einen TV-Star im einfachen Leben links liegen lässt, damit er keinen Unsinn anstellen kann.

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