Plausch mit Frau Nettesheim über wahnsinnig lange Wörter

Frau Nettesheim
Was macht Ihr Halsweh, Trithemius?

Trithemius
Ist beinah weg.

Frau Nettesheim
Haben Sie das Mittel angewandt, das ich Ihnen empfohlen hatte?

Trithemius
Nicht wirklich, Frau Nettesheim. Zwar bin ich noch nicht völlig wiederhergestellt, aber meistens versuche ich es zuerst ohne Gesundheitswiederherstellungsmittel. Die Selbstheilungskräfte wollen schließlich auch trainiert sein.

Frau Nettesheim
Dann viel Vergnügen bei Ihrem Selbstheilungskrafttraining.

Trithemius
Ich laufe eben nicht für jede Kleinigkeit zum Gesundheitswiederherstellungsmittelzusammenmischungsverhältniskundigen. Das Wort allein macht mir schon wieder Halsweh.

Frau Nettesheim
Sie können ja zum „Apotheker“ laufen. Gesundheitswiederherstellungsmittelzusammenmischungsverhältniskundiger ist schließlich ein krampfhafter Eindeutschungsversuch des Allgemeinen deutschen Sprachvereins und glücklicherweise nie in den Sprachgebrauch eingedrungen.

Trithemius
Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz etwa? Haben Sie je von diesem Wort gehört? Als Tagesschau.de letztens verkündete: „Deutschlands Sprachwissenschaftler trauern um einen Superlativ“, nämlich: Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, habe ich geweint. Aber nicht aus Trauer, sondern wegen der bescheuerten Behauptung.

Frau Nettesheim
Ja, ich weiß. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1999 galt bis vor kurzem in Mecklenburg-Vorpommern. Der Berliner Sprachforscher Professor Anatol Stefanowitsch bezeichnet das Ungetüm als „das derzeit längste authentische Wort im deutschen Sprachgebrauch.“

Trithemius
„Authentisch!“ So ein Quatsch! Lachhaft. In dem Gesetz war festgelegt, dass Rinder in Schlachthöfen auf BSE getestet werden mussten. Rinderwahnsinn muss in Meckpomm ein ernstes Problem gewesen sein.

Frau Nettesheim
Das wäre doch authentischer Sprachgebrauch.

Trithemius
Ganz und gar nicht. Beamtendeutsch erwächst aus Hirnersatz. Sagt ja schon Kurt Schwitters: „Wem Gott ein Amt gibt, dem nimmt er kurz vorher den Verstand.“ – Und stopft ihm stattdessen ein trockenes Brötchen in den Kopf, sag ich.
Keine Ahnung, warum Professor Stefanowitsch von „authentisch“ spricht. Werden Sprachgebrauch und Entwicklung der deutschen Sprache neuerdings vom Schweriner Landtag bestimmt? Davon rate ich dringend ab. Die fressen jetzt Kühe, die nicht mehr auf Rinderwahn getestet sind.

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4 Kommentare zu Plausch mit Frau Nettesheim über wahnsinnig lange Wörter

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