Plötzlich höre ich Stimmen! Schlüssel klirren, die Tür knarrt und ringsum flammen Leuchten auf. Ich packe meine Decke und verberge mich hinter einer Säule. Wer kommt dort? Männer sind es, viele uniformierte Männer strömen in die Halle. Sie tragen Querflöten und Trommeln. Ein Spielmannszug! Noch fliegen Scherzworte hin und her, dann pocht der Tambourmajor ungeduldig mit seinem Tambourstab auf die Fliesen. Aufstellen! Das Plaudern erstirbt. Sie verbergen ihre Köpfe unter Mützen, bilden fünf Reihen und schauen ihren Major erwartungsvoll an. Stillgestanden! Die Hacken klacken, und die Trommler schlagen die Rechte auf die umgehängten Trommeln, drehen sie um und halten die Stöcke auf Habacht. Gleichzeitig heben die Flötisten die Flöten an die Lippen. Schon stößt der Tambourmajor seinen Stab in die Luft und herab, und dann ists wie Donnerhall, als der Lockmarsch ruft.
Im Nu werde ich davongetragen. Längst vergessene Gefühle keimen auf. Das Herze wird eng mir, und Tränen steigen mir hoch. Der Lockmarsch! Die prachtvollen Paraden! Die herrlichen Umzüge mit Preußens Gloria und Alte Kameraden! In Treue fest! Gleichschritt, Gleichschritt Heimat, o süße Heimat!
Nichts hält mich mehr, ich werfe die Decke ab, laufe hin und reihe mich ein. Der Major erbleicht. Er senkt den Stab, und die Musik schweigt. Ich schlage die Hacken zusammen. Es ist nur ein leiser Ton, doch der gute Wille ist da. Meine gestreckte Hand fliegt an die Stirn, dem Major zum Salut: Trommler Trithemius zur Stelle! Verfügen Sie über mich, Herr Major!
Der Mann stemmt die Linke in die Seite und starrt mich wortlos an. Dann schwillt seine Brust und er brüllt! Was ist los mit Ihnen, Mann?! Wie sehen Sie aus?! Wo ist Ihre Dienstmütze, Sie Clown! Das Koppel nicht umgeschnallt! Ich sage es doch immer wieder. Schon tausend mal habe ich es gesagt: Kleiderordnung, Leute, achtet gefälligst auf die Kleiderordnung!!! Wie soll die Nation bestehen, wenn niemand sich an die Kleiderordnung hält! Skandalös!
Da beginnt es zu rumpeln und wie zur Antwort ist da ein Rieseln in den Mauern. Das Gebäude wankt in seinen Grundfesten. Der Major verstummt und alle horchen auf. Der alte Bau zittert und bebt, Mauerbrocken poltern hernieder, es kracht im Gebälk. Trommeln, Flöten und Dienstmützen fallen zu Boden, – die uniformierte Bagage ergreift die Flucht. Doch ich in meiner nackten Unschuld schreite unversehrt hinweg durch all das Chaos …
=>
Admin
E-Books in der Edition Teppichhaus Trithemius
Neueste Kommentare
- Als tourist auf der linie 13 (3) – Alte wege bei Wie ich beinahe versehentlich gestorben wäre (4) – Herzdraht
- Gekritzelt – Nachtrag Pferdefleischskandal bei Sie haben Post – vom Starnberger See (2) – Viecherei
- Siehst du wie ich lache? Einiges über Emoticons bei Außerirdische befehlen Dir: Mach einen digitalen Teppich!
- Wie der Wutz bei Dada lebt – Über den Ursprung von Merz
- Das Seufzen der Lehrkräfte bei seid auch im geringsten nicht im geringsten untreu – Kosogs Diktat wird 100
-
Neueste Beiträge
Trithemius watch on YouTube
Thomas Haendly † bügelt mein Hemd
Volontär Schmocks Videomagazine
Sommer in HannoverKategorien
- Abendbummel (16)
- Bild und seine Gedichte (12)
- dAdA lebt (41)
- Editorial (10)
- Ethnologie des Alltags (129)
- EvaimTeppichhaus (2)
- Experimente (11)
- Flashback (4)
- Frau Nettesheim (34)
- Gregor Kritidis – Politik (3)
- Jüngling Schwarze Kunst (7)
- Kopfkino (42)
- Mein surrealer Alltag (61)
- Pataphysik mit Socken (32)
- Paul Duroy (2)
- Schrift – Sprache – Medien (128)
- Straße meiner Kindheit (2)
- Teppichhaus Intern (1.055)
- Teppichhaus-Musiktipp (8)
- Teppichhaus-News (10)
- Trendkompass (11)
- Zirkus schlechten Geschmacks (91)
Archive
Blogroll
Teppichhaus Trithemius
Diverses
Teppichhaus Trithemius 2.3 von Jules_van_der_Ley steht unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.
Kalender
Atomuhr
Schlagwörter
läufer maumännchen nachtschwärmer Aachen Abendbummel Angela Merkel animation BILD Blog Coster dada Denken Deutsche Bahn die letzte freinacht ethnologie Finanzkrise Frau Nettesheim Gif-Animation Handschrift Hannover Internetroman kopfkino Kunst Leben Lesen Lesenacht Limmerstraße Lyrik Medien Merkel Musiktipp online lesenacht Orthographie Pataphysik pentagrion Politik Satire Schreiben schwarzes internet spasss im teppichhaus Sprache teppichhaus intern unterhaltung urbane Sage Volontär Schmock
0 Kommentare zu Nachtwache im Pataphysischen Institut – Ein Traum von einstürzenden Altbauten