Nachtwache im Pataphysischen Institut – Ein Traum von einstürzenden Altbauten


Musik: Martin Kratochwil

Mir träumte …

Trithemius! Die Story haben Sie mal wieder ordentlich versiebt, Sie Schmock! Frau Nettesheim knallt mir mein Manuskript vor die Füße. „Wenn Sie bis morgen keine ordentliche Reportage abliefern, können Sie sich die Papiere abholen!“ Und in Fahrt geraten stößt sie den Finger wahllos in die Runde der erschrockenen Teppichhaus-Schreiberknechte und zischt: „Sie, Sie und Sie, Sie sind entlassen!“ Welch eine Furie, aber eine Meisterin der Feder und darum unanfechtbar.

Wortlos klauben die Gefeuerten ihre geringe Habe zusammen, räumen ihre Stehpulte und verlassen wie geprügelte Hunde den Raum. Ich mische mich unauffällig unter sie, froh, noch eine letzte Chance zu haben. Ja, ich bin bereit, das Äußerste zu tun, wovor auch die hartgesottensten Männer zurückschrecken. Ich werde ganz allein eine Nacht im Pataphysischen Institut verbringen, die leeren Gänge und Hallen durchstreifen und es ertragen, wenn das Gebäude wie allnächtlich in eine unwägbare Zwischenwelt hinüberragt.

Unter einem Vorwand besuche ich Professor Coster. Selbstgefällig und satt lagert er in einer seiner privaten Sofalandschaften. Ich ertrage sein Gerede von sensationellen pataphysischen Selbstversuchen, denen er sich unterziehen will, wenn er einmal Zeit hat. Die Zeit hätte er, und ich bin sicher, es wird nie zu einem der nur vage geschilderten Selbstversuche kommen. Dann gehe ich hinaus, verberge mich in der selten genutzten Bibliothek, bis alle gegangen sind und der glatzköpfige Hausmeister seine letzte Runde gemacht hat.

Endlich bin ich allein, und wie auf höhere Anordnung sackt augenblicklich die Dämmerung herab und hüllt die Gänge und Fluchten des Instituts in dunkle Schatten. Welch ein erbärmliches Leben ich doch führe, so abhängig von der Gunst vieler Menschen und allzeit gezwungen zu machen und zu tun, um meinen kargen Unterhalt zu sichern. Mein Kummer überwältigt mich. Unter dem riesigen Wandbild des heiligen Antonius sinke ich auf eine Treppenstufe und starre in die Finsternis. Was habe ich alles verscherzt, was nimmer mehr gefunden werden kann, du machtloser Schutzpatron derer, die etwas verloren haben.

Als ich erwache, herrscht ägyptische Finsternis. Meine tastende Hand geht rundum ins Leere. Ein Gedanke schnürt mir den Hals zu: Wenn jetzt aus der unwägbaren Oberwelt des Treppenhauses ein Nachtmahr sich herabließe, mir ins Genick spränge und mit seinen ekligen Klauen nach meinen Ohren griffe, um mich nach seinem bösen Willen herumzuführen?! Meine zagenden Füße ertasten Stufen. Ich tappe hinab, stolpere, raffe mich wieder auf, tappe weiter – ans Licht! Ans Licht! Helft, ihr Götter, helft!

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