Online Lesenacht – 15 – Verstummte Bücher

Das Pfarrhaus hat in Parterre drei Räume. Rechts ist ein kleiner Versammlungssaal. Es steht eine lange Tischreihe mit Stühlen darin, in der Ecke ist eine Musikanlage aufgebaut für den Fall, dass den Raum jemand für eine lustige Gesellschaft mietet. Dann gibt es noch einen Vitrinenschrank, in dem Pokale stehen und die prächtige Standarte der Schützen-Bruderschaft St. Martinus lehnt. Wie heißt der Heilige, der von unzähligen Pfeilen durchbohrt wurde? Er ist drauf zu sehen.

Hinten durch befindet sich eine große Küche mit schwarzweißen Bodenfliesen. Da steht der Nudelsalat bereit, den -m*sh- gestiftet hat.

Auf der linken Seite des Ganges ist die Leihbücherei untergebracht. Die Ausleihe wurde 1970 aufgegeben, als die einklassige Schule schloss. Man hat alles belassen, wie es damals war. Die Bücher in den gefüllten Regalen zeigen freundlich ihre Rückenschildchen, da sind die Karteikästen mit den alten Einträgen und auf einem Holztisch steht ein Telefon mit Wählscheibe. Es hat eine dreistellige Nummer. Die Leitung ist offen.

Das alles weiß ich von Coster, denn er durfte die Bücherei als Arbeitsraum benutzen hat manchmal darin übernachtet. Sein Klappbett steht in der Ecke.

Im Ort gibt es drei seltsam gestaffelte Hallen. Aus der Luft betrachtet ergeben sie ein Dreieck. Die vordere Halle ist kurz, die hintere fast 200 Meter lang. In den 60er Jahren hat darin eine amerikanische Firma das berühmte Elternhuhn K 127 gezüchtet. Costers kannte einmal eine Frau, die als Kind mit der Schulklasse auf Besichtigungstour in den Hallen gewesen war. Sie hat versucht, ein K-127-Küken in ihrem Handtäschchen herauszuschmuggeln.

Nach einigen Jahren ging die Firma bankrott. Nur der Ortsvorsteher hatte mit den Hühnern ein gutes Geschäft gemacht, wie man in der Bilanz nachlesen kann, die der Schulmeister Jungverdorben in der Kirchspieler Chronik veröffentlicht hat. Das Buch ging von Hand zu Hand durchs Dorf, und Lammen fand sich entblößt.

Jedenfalls blieben die monströsen Hallen zurück. Jahrelang waren sie kaum genutzt. Dann mietete sie jemand aus Mönchengladbach, der sich nie sehen ließ. Eines Tages spielte die Wasseruhr der Hallen verrückt. Da man den Mieter nicht erreichen konnte, brach man die Türen auf. In den Hallen fanden sie eine computergesteuerte Hanfplantage, groß genug, ganz Kirchspiel auf Jahre High zu machen.

Folge 16

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