Online Lesenacht – 14 – Auf Kirchspiel zu

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Nach einer Pause ist man immer ein bisschen träge, findest du nicht? Ich komme gar nicht so richtig in Gang. Da fühle ich mich wie bei der Echternacher Springprozession. Wen verehren sie in Echternach? Den Hl. Willibrodt?

Echternach hatte im Mittelalter ein berühmtes Skriptorium und eine stattliche Bibliothek. Allerdings darf man sich keinen großen Buchbestand vorstellen. 400 Bücher besaß Richard de Bury, der Bischof von Durham, der das Philobiblon verfasst hat, das berühmte Buch von der Bücherliebe. Man sagt ihm nach, dass er keine Skrupel hatte, Bücher stehlen zu lassen, um seine Bibliothek zu vergrößern.

400 Bücher nach heutigem Buchmaß passen in einen Raum von zwanzig Quadratmetern. Du wirst dich bald davon überzeugen können.

Wenn der Mond hervorkäme, könntest du Kirchspiel schon ahnen. Es liegt wie eine Insel inmitten der Felder. Wir werden als erstes die Kapelle sehen. Sie liegt am westlichen Ortsrand.

Siehst du, schon gehst du flotter. Wenn man das Ziel nur ein bisschen vor Augen hat, fällt der Weg leicht.

Mit dem Westkapellchen von Kirchspiel hat es eine ulkige Bewandtnis. Coster kam eines Tages zufällig vorbei, guckt es sich an, wie es da einsam dem Westwind trotzt, und steigt vom Rad. Er schaute durch das Gitter auf den kleinen Altar, und da bemerkte er an den Wänden Votivtafeln, auf denen der gefallenen Söhne einer Familie Jörrissen gedacht wurde.

Coster wurde neugierig auf die Geschichten, die sich daran knüpfen. Er dachte sich, man müsse so ein Dorf einmal auslesen wie ein Buch.

Später hat er sich an den Ortsvorsteher von Kirchspiel gewandt und ihm seine Idee verklickert. Der Ortsvorsteher ist zwar ein einfacher Bauer, doch er ist ein kluger, weltoffener Mann. Er führte Coster in die Dorfgemeinschaft ein. Auch Gutsbesitzer Jörrissen erteilte sein Einverständnis. Coster bekam alle Unterstützung für sein Oral-History-Projekt. Sie übergaben ihm bald den Schlüssel für das alte Pfarrhaus, denn Kirchspiel hat längst keinen eigenen Pfarrer mehr. Es steht direkt bei der Kirche und dem Kirchhof.