Wahrer Bericht aus meinem Luxusleben

Heute Morgen legte ich mich gleich wieder hin. Es ist etwas Wunderbares, aufzustehen und sich wieder hinzulegen im wohligen Gefühl, keinen Termin zu haben und den ganzen Tag nichts zu müssen. Man muss freilich das Gegenteil kennen, wie ich es gut vier Jahrzehnte gekannt habe. Bei Wind und Wetter, Dunkelheit und Eisregen in aller Früh das Haus zu verlassen … Brrrr! Gerne stehe ich, die Kaffeetasse in der Hand, am Fenster und schaue auf die Ärmsten, die draußen vorbeihasten. Männer in Anoraks und eng geschnürten Kapuzen, eine Frau in schwarzen Gummistiefeln … je mehr arme Schweine, desto besser fühle ich mich.

Dann lege ich mich wieder hin und träume die Wahrheit über die Welt, behalte aber manchmal nur Wörter, deren Zusammenhang mir trotz guter Vorsätze verloren geht. Heute träumte ich eine Welt voller Rücksichtnahme aus höchst komplizierten Gründen. Ich trug mit einem anderen eine schwere Wanne voll Säure und Nitroglyzerin zu Leuten hin, die eine Straße säumten, um vorbei stolzierende gekrönte Häupter zu sehen.

Hallo, ihr NSA-Mutherfuckers! Das war nur ein Traum, und außerdem war zumindest ich sehr vorsichtig mit der Wanne.

Von dem komplizierten Drum und Dran meines Traums blieb leider nur das unschöne Wort „Beischlafverweigerung“. Was ich aber noch gut weiß: Ich träumte die Wahrheit über die Leute, die mit großen Kopfhörern durch die Gegend laufen. Ohrstöpsel sind ja längst Allgemeingut. Man sieht sogar alte Leute damit. In letzter Zeit tauchen aber vermehrt die jungen Leute mit großen Kopfhörern, Over- und On-Ear-Headphones, im Straßenbild auf. Sie tun so als wäre ihnen die Musik zu wichtig, als dass man sie durch winzige Ohrstöpsel quetschen dürfe. Doch schon immer habe ich sie im Verdacht, dass es ihnen gar nicht um die Tonqualität von Musik geht, denn sie schauen so beseelt aus der Wäsche. Außerdem lieben sie Musikrichtungen wie Grunge, Techno, Hiphop, Gangsta-Rap und Thrash Metal, für die gute Lautsprecher oder Kopfhörer viel zu schade wären. Die mit den On-Ear-Headphones erinnern mich immer an die Sekte der Liegeradfahrer. Auch deren Mitglieder halten alle anderen Radfahrer für doof, weil sie sich einer überlegenen Technologie verwehren. Das zu untersuchen ist aber nicht unser Thema. Gehören große Kopfhörer To Go zu einer überlegenen Technologie? Im gewissen Sinne schon, denn obwohl sie aus Pappmaschee, Spucke und Spannlack gemacht sind, ersatzweise aus Holz geschnitzt und lackiert, glauben die Besitzer, die Funksignale von außerirdischen Göttern zu empfangen.

Es handelt sich
nämlich um Anhänger eines neuen Cargo-Kults. Sie hoffen, zu erfahren, wann und wo die Götter wieder die Waren neuester Technologie vom Himmel werfen, wenn sie nur jederzeit auf deren Funksignale lauschen. In Wahrheit hören sie natürlich nur das Blut in ihren Ohren pulsieren, ähnlich denen, die ein Schneckengehäuse ans Ohr halten und glauben, darin Meeresrauschen zu hören. Da brauchst du gar nicht die Nase zu rümpfen. Denn wenn du es auch nicht weißt, auch du bist ein Adept des Cargo-Kults, wenn du immer die neusten Sachen aus dem Applestore oder dem Ich-bin-doch-blöd-Tempel haben willst. Also, sei bloß ruhig. Ich habe die Wahrheit über dich geträumt.
Ach ja, Frauen, die noch nicht vom Cargo-Kult infiziert sind, können ihre Partner vielleicht durch Beischlafverweigerung heilen.

Teppichhaus-Musiktipp
Vampire Weekend
Unbelievers

Dieser Beitrag wurde unter Mein surrealer Alltag abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

8 Kommentare zu Wahrer Bericht aus meinem Luxusleben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.