Online Lesesnacht – 9 – Schwarze Kunst und Zinnteller

Coster lässt keine Gelegenheit aus, dem Johann Genzfleisch zum Gutenberg das Recht der Erfindung streitig zu machen.

Falls er dir damit kommt, frag ihn mal nach Beweisen. Dann wird er von alten Zinntellern schwafeln, die man aus dem Familienbesitz noch herzeigen könne. Doch mit Zinntellern kann er allenfalls dem Flohmarkthändler Erlenberg imponieren, hehe! Du weißt schon, das ist einer der beiden Sportler, die sich uns aus unerfindlichen Gründen angeschlossen haben.

In Wahrheit war alles ganz anders, ein frühes Lehrstück in Raubtierkapitalismus. Johannes Fust, auch Faust genannt, hatte dem Gutenberg für seine Erfindung Geld geliehen. Als Gutenberg grad die letzte Seite der 42zeiligen Bibel aus seiner Presse hob, kündigte Fust ihm den Kredit. Weil Gutenberg nicht zahlen konnte, rief Fust die Gerichtsbüttel und ließ die Druckerei samt Bibel beschlagnahmen. Danach hat er sich selbst als Erfinder der Druckkunst ausgegeben. Geholfen hat ihm ein Geselle Gutenbergs, der ehemalige Kalligraph zu Paris Peter Schöffer. Er wurde später Fusts Schwiegersohn.

Man hat bis ins 19. Jahrhundert geglaubt, dass Fust die Druckkunst erfunden habe, wusstest du das?

O lichte Schwarze Kunst,
Ob Gutenberg, ob Faust,
War man zu Recht im Zweifel,
Denn halb kommst du von Gott,
Und halb kommst du vom Teufel.

Das ist von Grillparzer.

Aufleuchtende Zigarettenglut wirkt irgendwie anheimelnd, findest du nicht? Wenn man allerdings weiß, dass der Suchtknoten Coster gerade seine Kippe heiß raucht, mischt sich ein Missgefühl in die nächtliche Romantik. Was da zu uns herüberweht, ist der Geruch von Kirchspieler White Whidow.

Das ist wie mit den Fliegenden Fischen. Es sieht wunderbar aus, wenn sie aus der See auftauchen, einen eleganten Bogen durch den Nachthimmel beschreiben, um wieder in die Wellen einzutauchen. Wie romantisch, schwärmt der Betrachter an der Reling. Falls er nicht weiß, dass die Fliegenden Fische vor den hungrigen Mäulern von Raubfischen fliehen.

Folge 10

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