Plausch mit Frau Nettesheim – Offenes Herz

Frau Nettesheim
Trithemius! Sie sehen ja aus wie aus dem Gully gefischt!

Trithemius
Eben dachte ich, dass ich am besten den Löffel abgebe.

Frau Nettesheim
Was ist denn passiert, um Gottes Willen?!

Trithemius
Setzen Sie sich lieber mal, Frau Nettesheim, das dauert bestimmt länger, selbst wenn ich mich kurz fasse: Also, bei meiner Exfreundin erlebte ich erstmals ein seltsames Phänomen. Sie konnte mir telepathische Nachrichten schicken.

Frau Nettesheim
Sie konnte was?

Trithemius
Gucken Sie nicht so ungläubig, Frau Nettesheim. Radiohören durch Ohranlegen geht auch. Ich habe irgendwo ein Foto von zwei russischen Brüdern. Das waren Wissenschaftler, jedenfalls haben beide auf dem Bild einen weißen Kittel an. Diese Brüder konnten Radio hören, indem sie die Köpfe aneinander legten.

Frau Nettesheim
Sie hörten bestimmt Radio Eriwan.

Trithemius
Jetzt hören Sie mir zuerst einmal zu!
Meine Exfreundin und ich, wir hatten es schwer miteinander, konnten uns oft nicht sehen, und dann schickte sie mir manchmal einen zehrenden Schmerz in die Brust. Der war heftig, und zuerst habe ich nicht gewusst, woher er kam. Doch dann trat das Zehren auch auf, kurz bevor sie anrief oder eine SMS schickte. Ich konnte zum Beispiel auch spüren, wann sie morgens wach wurde. Wir haben es ausgetestet und unabhängig voneinander die Uhrzeit aufgeschrieben. Es war keine schöne Sache für mich, denn anfangs lebte sie noch mit ihrem Mann zusammen, und wenn sie spät abends oder nachts in meiner Brust wühlte, dachte ich immer, ihr Mann will gerade was von ihr.

Frau Nettesheim
Das ist ja grauenhaft.

Trithemius
Ja, und dann bin ich beim Arzt gewesen, lag auf der Pritsche, und der fährt mir mit dem Ultraschallgerät über die Brust. Da kam der Schmerz, und ich sagte zu meinem Internisten:
„Gucken Sie mal, was da ist!“
„Da ist nichts“, sagte er.
Dann habe ich ihm das mit dem Schmerz erzählt und gefragt, ob er denkt, dass ich einen Knall habe. Er sagte: „Wissen Sie, ich bin ein paar Jahre in Afrika gewesen, und was die Medizinmänner dort machen, da ist Ihre Sache gar nichts.“

Es geht noch weiter, Frau Nettesheim. Manchmal spürte ich das Zehren, das Telefon klingelte, und dran war nicht meine Freundin, sondern meine Exfrau. Nach dem dritten Mal musste ich mir eingestehen, dass meine Exfrau mir auch Botschaften senden kann.

Frau Nettesheim
Es sind aber ziemlich diffuse Botschaften.
Und was war heute?

Trithemius
Heute habe ich ein ziemlich heftiges Problem mit meiner neuen Freundin. Wir schrieben uns Nachrichten deswegen, und dann konnte ich nicht einschlafen. Dann ging plötzlich das Zehren in meiner Brust wieder los, und zwar so heftig, dass ich aufstehen musste. Offenbar kann meine neue Freundin mir also auch was senden. Das macht mich ganz durcheinander, Frau Nettesheim, denn jetzt sind es schon drei Frauen, und ich weiß nicht mal sicher, wer da gerade bei mir anruft.
Ich glaube, ich liebe einfach zu sehr die Frauen. Deshalb hat jede gleich Gewalt über meine Zwirbeldrüse.

Frau Nettesheim
Wenn Sie sowas wie eine öffentliche Telefonzelle für sensitive Frauen sind, müssen Sie eben besser auf sich aufpassen.

Trithemius
Was? Und ich dachte, Sie hätten irgendein homöopathisches Mittel für mich, Frau Nettesheim. Doch ich brauche es sowieso nicht. Ich war mal in einer Kneipe, in der Rocker verkehrten. Da legt plötzlich ein Rocker seinen nackten Arm neben meinen auf die Theke und lässt seine brennende Kippe dazwischen fallen. Sehen Sie die Narbe, Frau Nettesheim?
Er hat zuerst zurückgezogen. Sie glauben nicht, mit welch einem Selbstvertrauen ich aus dem „Dreckigen Löffel“ rausgegangen bin.

Frau Nettesheim
Ich finde immer wieder erstaunlich, mit welchen Strategien Sie Ihr angeknacktes Ego aufrichten, Trithemius. Dann bleiben Sie jetzt ganz ruhig. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Ziele und versorgen Sie auch das Teppichhaus mit Texten, der Rest wird sich finden.

Trithemius
Sie haben gut reden. Arbeiten Sie doch mal in Ruhe,
wenn in Ihrem Herzen dauernd das Telefon klingelt.