Abendbummel Online – Langsam gegangen, schnell geschrieben

Zehn Minuten habe ich vor dem Eiscafé in der Schlange gestanden, wo ein kugelköpfiger Mann im dunklen Anzug offenbar Eisladungen für ein großes Büro geordert hatte. Ich bin dann gegangen, denn man verlangte von mir zuviel Lebenszeit für zwei Eiskugeln.

Ab jetzt allerdings bin ich selbst verantwortlich für den leisen Zeitdruck, unter dem ich schreibe. Denn ich bin leider immer langsamer geworden beim Bummel durch die frühlingshafte Stadt. Es gab einfach zuviel zu gucken. Eine Weile habe ich am Markt auf einer Bank gesessen, ein Eis hatte ich inzwischen auch. Vor einem Café saß wieder das versammelte hedonistische Pack von Aachen. Wo sind die wieder auf einen Schlag alle hergekommen?

=> Eine junge Punkerin ging erfolglos bettelnd an den Tischen vorbei. Man muss ein ziemlich dickes Fell haben, nicht zu verzagen, wenn man höchstens ein leises Kopfabwinken bekommt. Allerdings dachte ich, dass die Leute an den Tischen es auch nicht besser haben. Beim After-work-Getränk vergessen sie vielleicht, wie sehr sie im Beruf buckeln und betteln müssen.

Wer sich irgendwo bewirbt, muss sein Inneres nach außen kehren, und dann sitzen da selbstgefällige Herrschaften, die sich naserümpfend ein Detail herausgreifen und sagen: das gehört in die Tonne, aber nicht in einen Lebenslauf. Der Bewerber muss zusehen, wie sie ihm sein Leben zerpflücken. Dabei hat er nur das, er kann es ja nicht umtauschen, höchstens für die nächste Bewerbung fälschen.
Nicht zu genügen ist eine schlimme Erfahrung. Man kann fast verstehen, wenn so eine Punkerin sich lieber eine Abfuhr am Tisch holt.

Doch irgendwie sind alle arm dran, ob sie vor dem Tisch stehen oder hinter dem Tisch den Kopf schütteln. Und vielleicht ist es für die Leute am Tisch erhebend, selbst einmal zu sagen: Du genügst nicht.

So geht so ein Tritt von oben durch die sozialen Schichten. Der getretene Mensch speichert den Tritt, und wenn er Gelegenheit hat, gibt er ihn nach unten weiter. Bei der Punkerin kam nur noch ein milder Tritt an. Denn ein Teil der Trittenergie bleibt leider immer im Menschen zurück und macht ihn von innen hart.

Deshalb entschuldige ich mich jetzt für das Wort „hedonistisches Pack“. Manche haben einfach zuviel negative Energie speichern müssen. Und jetzt sind sie nur noch äußerlich beweglich. Später hört auch die äußere Beweglichkeit auf. Wenn sie älter werden, muss die Haut nachgespannt werden oder sie holen sich Botox subkutan.

Es ist gewiss schwierig, sich solchen Prozessen zu entziehen. Wenn es fast alle in der eigenen Umgebung machen, will man selbst bei dem größten Humbug nicht an der Seite stehen. Denn sonst befürchtet man schon wieder einen Tritt, den der sozialen Missachtung.

Wieso schreibe ich über treten? Es ist so ein heiterer Tag, was sollen da solche Worte? Ich trete dann mal lieber das Kopfsteinpflaster der Münsterstraße. Leider haben wir uns am Markt zu lange aufgehalten. Den Bummel kriege ich niemals rund, wenn es jetzt nicht rasch geht.

=> Münsterplatz: Zwei junge Geigerinnen: Gut gespielt, vielen Dank, ich hab’s gehört.

=> Buchhandlung, vor der ich gerne sitze, um lesefreudige Menschen zu gucken, es sind nämlich die Interessantesten – tote Hose. Auch diese vierstöckige große Buchhandlung hat die Woche über nicht genug Käufer. Das jedenfalls sagt der Eigentümer, und der sollte es wissen. Samstags ist der Rummel groß, doch davon könne eine Buchhandlung nicht existieren. Darum verlegen sich die großen Buchhandlungen zunehmend auf das Bestsellergeschäft.

Dieter Bohlens Penisbruch oder dass Heiner Lauterbach im Gefängnis beinahe vergewaltig wurde, sind Themen, die auch mein geliebtes hedonistisches Pack interessieren. Doch das saß am Markt wie angenagelt.

=> Ich will nicht dauernd solche Sachen schreiben. Ehrlich, es ist nicht meine Absicht. Denn ich bin gut gelaunt, verdammt.

=> Einkauf: Ich habe festgestellt, dass ich zur Zeit mehr einkaufe als ich esse. Bald brauche ich wegen meiner Vorräte eine größere Wohnung. Das sah ich, als ich versuchte, mein Zeug einzuräumen. Da stand jede Menge anderes Zeug und fragte mich, wann es denn endlich zu meiner Lebenserhaltung beitragen dürfe.

Zu meiner emotionalen Lebenserhaltung gehe ich heute Abend in eine Kneipe. Da schütte ich mir maßvoll ein paar Bier in den Kopf und unterhalte mich. Deshalb heute kein Nachtschwärmer. Ich bitte um Nachsicht. Morgen dann um so lieber.

Guten Abend

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