Nachmittagsplausch mit Frau Nettesheim – Vergessene Bibliotheken

Trithemius
Ich kenne Sie, Frau Nettesheim, wenn Sie so eifrig im Lager kramen, stimmt was nicht. Mir ist selbst ganz arg, dass wir kaum noch Zeit finden, miteinander zu reden.

Nettesheim
Das kommt mir gerade recht. Ich räume das Lager des Teppichhauses auf, weil Frühling ist, weil gelüftet werden muss, und weil es nötig ist, Ihre Texte zu taggen. Es hat nichts mit Ihnen zu tun.

Trithemius
Hab vergessen, dass Sie im Naturrhythmus schwingen, verehrte Frau Helene. Jedenfalls haben wir im Augenblick viel Post, und die will vernünftig beantwortet werden. Es sind viele anregende Kommentare darunter. Und ich staune immer wieder über die produktive Kraft des Schreibens im Blog.

Nettesheim
Vorausgesetzt, man hat Resonanz. Denken Sie auch daran, etwas von dem zurückzugeben, indem Sie bei anderen lesen und kommentieren?

Trithemius
So gut ich kann. Ich bitte um etwas Geduld. Es wäre allerdings viel gewonnen, wenn Blog.de mir nicht die Zeit rauben würde. Manchmal sitze ich minutenlang vor der hübschen Nachricht:

Warten auf Blog.de

Rechnen Sie das mal hoch auf einen Tag, da kommt ganz schön etwas zusammen. „Warten auf Blog.de“ klingt mir inzwischen wie „Warten auf Godot“.


Nettesheim

Godot kommt allerdings gar nicht.

Trithemius
Ob es je den Zustand geben wird, dass die Serverleistung höher ist als der Zugriff darauf? Solange eine Plattform wächst, wird es immer wieder Engpässe geben. Wissen Sie, was mich fasziniert, Frau Nettesheim? Inzwischen befindet sich auf den Servern von Blog.de eine riesige Bibliothek. Sie hat unzählige Unterabteilungen, an deren Eingängen Bibliothekare sitzen. Gleichzeitig sind sie die Autoren der Texte ihrer Abteilung. Manchmal trifft man sie an und kann sich mit ihnen über einen ihrer Texte unterhalten.

Nettesheim
Als Bibliothekar muss man auch auf die Ordnung der Bibliothek achten. Denn was man nicht vernünftig katalogisiert, verschwindet im Regal und wird kaum je noch einmal gefunden. Deshalb räume ich hinter Ihnen her, Trithemius, sonst wird bald aus dem Teppichhaus-Lager eine vergessene Bibliothek.

Trithemius
Gestern unterhielt ich mich mit einem Freund über das Gilgamesch-Epos. Es ist ja die älteste Literatur der Menschheit. Auf Tontafeln in babylonischer Keilschrift überliefert, oder?
Mein Freund hat sieben oder neun Ausgaben davon. Ist das nicht verrückt? Ich war ganz neidisch, denn ich hab nicht eine einzige. Sie kennen das Gilgamesch-Epos natürlich, Frau Nettesheim. Sie lesen ja nicht nur die Regenbogenpresse.

Nettesheim
Trithemius, ich warne Sie. Das Wort „Regenbogenpresse“ kenne ich nicht einmal, geschweige den Schrott, der sich dahinter verbirgt!

Trithemius

War doch nur Spaß. Es ist eine Kraft im Gilgamesch-Epos, die einen umhaut, finden Sie nicht? Jedenfalls sagte mein Freund, es sei doch witzig, dass der früheste uns überlieferte Text anhebt mit der Bemerkung: Es ist schon alles Wichtige geschrieben auf der Welt, viel Neues könne man nicht mehr hinzufügen.

Nettesheim
Daran sehen Sie, dass Vergessen durchaus seinen Wert hat.

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