Peter Schöffers Verrat an Gutenberg


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Die Lib zu Christinen
Verrat im Morgengrauen der Schwarzen Kunst

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Schön, dass es dir hier gefällt! Ehrlich gesagt, ich habe bei der Wahl des Cafés einfach nur Glück gehabt. So oft bin ich nämlich nicht in Kerkrade. Die Stadt ist recht groß, doch das Stadtgebiet liegt stark verstreut. Die Gegend ist ehemaliges Bergbaugebiet. Auf mich wirkt Kerkrade ein bisschen wie eine Ruhrgebietsstadt.

Was möchtest du trinken? Und das schmeckt? Na, du musst es wissen. Ich trinke ein Bier. Weizenbier werden sie leider nicht haben. Weißt du eigentlich, wer Peter Schöffer war, nach dessen Haus und Hof ein bekanntes Weizenbier benannt ist? Doch du kennst ihn, fühl dich einmal ein:

Du hast Eisblumen am Fenster. Und du bibberst in deinem Bettkasten. Es will dir nicht warm werden. Du hast einfach zu lange in der Hofeinfahrt gestanden. Wie hast du in der Finsternis gewartet. Gezittert hast du unter deinem Umhang, und verflucht hast du dein elend dünnes Wams. Ja, das war in Paris ein anderes Leben gewesen. Dort konntest du dich besser kleiden, in der Zeit, als man deine Dienste benötigte. Für deine Schrift hat man dich gelobt, dich gut bezahlt, wenn du ihnen ein Blatt in der Gebrochenen geschrieben hast, die du so artig zu schreiben verstehst. Deshalb hat der Genzfleisch dich auch haben wollen. Er vermochte es nicht selbst. Das Alphabet von deiner Hand hat er sich fragen müssen von dir.

„Als Vorbild“, hat der Genzfleisch gesagt. Und du hast gewusst, dass er mehr von dir wollte als ein geschrieben Blatt.
„Wenns ein Vorbild sein soll, dann ist es nicht wohlfeil. Du wirst mich in deine Kunst einweisen müssen!“, hast du erwidert, und der Genzfleisch hat dir deinen Willen lassen müssen. Er ist ein Technicus dieser Genzfleisch. Woran ihr gemeinsam schafft, das wird gut. Die Tryckkunst, das Prenten, es wird euch reiche Frucht eintragen. Doch noch ist das Säckel leer, der Lohn ist karg. Wie sollst du dir also ein Winterwams zulegen?

„Ach, Christine, warum lässt du mich warten!“ seufzest du in die Nacht hinein. Einmal nur spüren, wie ihr Atemhauch das Gesicht dir streift, einmal nur ihre Hände halten, einmal nur merken, wie ihr Busen sich im Seufzer hebt. Ein flackernd Licht hinterm Fenster!

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„Bist du es, Christine, Geliebte mein?“
„Ja, mein Peter, ich konnt’s nicht eher richten. Der Vater hat mich nicht ausgelassen. Er ahnt etwas, Peter, du bist in Gefahr. Er wird die Mordbuben nach dir senden.“
„Das soll mich nicht schrecken“, hast du gesagt. Doch kalt ist dir geworden. Und ehe Christine dich hat erwärmen können, ist sie auch schon fort. Nur ein flüchtiger Kuss ward dir gegeben.

Nun will auch dein Bett dich nicht wärmen, und wie du noch jammerst, wird jäh dir eng ums Herze. Du liegst starr: Was atmet da in der Finsternis? Du bist nicht allein in deiner finstren Kammer! Ein meckernd Lachen. Und dann erhebt sich eine Stimme, sie ist dir wie Grollen und Gewitterhall:
„Was wagst du es, Schöffer Peter, unter meinen Augen meine Tochter zu freien?! Du wirst mir Rechenschaft ablegen, Bube! Und kommst du nicht aus, musst du mir zu Willen sein!“

Und so ist es in dieser Nacht zur Verabred mit dem Fust gekommen. Christinen will er dir geben. Doch du musst falsch Zeugnis ablegen gegen den Genzfleisch vor Gericht. Auch sollst du den Fust in der Kunst des Genzfleisch unterweisen. Er will mit dir vollenden, was der Genzfleisch nimmer vollenden wird. Morgen wird der Fust die Gerichtsbüttel holen und herüber kommen zu des Genzfleisch Werkstatt. Du sollst dich raushalten, hat Fust dir gesagt, denn der Genzfleisch soll nit wissen, was die Verabred ist, er ist ein jäher Meister.

„Willst du leiden, dass er dir ans Leben geht? Ich brauche dich, Schöffer Peter, wir beide haben einen Pakt.“
„Hab nit drauf geschworen!“
„Doch, du hast! ‚Sonst soll mich der Gottseibeiuns holen’, ich hab’s von deiner Hand auf dem Kontrakt! Und willst du nicht auch mein Eidam werden?“

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Hallo, hier sind wir, in Kerkrade. Du kennst mich doch?

Ja, die Geschichte endete tragisch. Denn Johannes Fust, den man auch Faust nennt, nahm Johann Gensfleisch zum Gutenberg mit Hilfe des Peter Schöffer alles weg. Die 42-zeilige Bibel war beinahe fertig gedruckt. Fust verlangte ein Darlehen über 800 Taler von Gutenberg zurück. Gutenberg konnte nicht zahlen, und so ließ Fust seine Werkstatt pfänden. Es kam zu einem Prozess, den Gutenberg verlor. Er erschien nicht einmal selbst vor Gericht. Denn als er erfuhr, dass sein Geselle Peter Schöffer, ehemals Kalligraph in Paris, mit dem Fust gemeinsame Sache machte, wusste Gutenberg, dass seine Sache verloren war.

Gutenbergs weiteres Leben liegt im Dunkeln. Fust und Schöffer betrieben erfolgreich die erste Buchdruckerei der Neuzeit. Lange Zeit galten beide als die Erfinder des Buchdrucks und Schöpfer der 42-zeiligen Bibel, doch Fust wurde auch nachgesagt, dass er mit dem Teufel im Bunde war. Die Tryckkunst selbst sah man zeitweise als Teufelswerk an.

Die Buchdrucker hatten jedenfalls einen Gruß, der den Ruch des Teufelswerks widerlegen soll:
„Gott grüß die Kunst!“ – so grüßt der Drucker.
„Gott grüße sie!“, ist die korrekte Antwort darauf.

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Wusstest du eigentlich, dass Drucken früher Prenten hieß? Du kennst die Entsprechung im Englischen „to print“, und auch die so genannten Printmedien. Hier in den Niederlanden sagt man „prenten“. Übrigens, komm einmal näher, damit die Kellnerin es nicht hört.

„Die Niederländer glauben, sie hätten einen eigenen Erfinder der Druckkunst: Coster heißt er, und er soll die ersten Lettern in einer Sandform gegossen haben. Sie können zum Beweis allerdings fast nichts vorweisen. Doch es gibt eine Geschichte, die besagt, Johannes Faust habe dem Coster in der Heiligen Nacht die Druckkunst gestohlen, als alle anderen in der Christmette waren. So einer muss doch mit dem Teufel im Bunde sein. Denn in der Heiligen Nacht zu stehlen, traut sich das ein einfacher Mensch?“

Sag mal, bist du auch plötzlich so angenehm müde geworden? Ich sag „Heilige Nacht“, und du gähnst.

O.K., ich verstehe den Wink mit dem Gäh…Zaunpfahl. Wir machen Schluss für heute und verabreden etwas für morgen.

Du willst doch sicher einmal wieder Draisine fahren? Wir müssen endlich auf die andere Seite der Maas.

Also, bis morgen!

Gute Nacht, meine Lieben!

Lobe am Abend den Tag

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