Wolfsburg-Notizen

Meine Lieblingsfigur/mein Lieblingssatz in SF- und Horrorfilmen aus Hollywood ist der stereotyp auftauchende Mann, der in einer plötzlich sich ergebenden rätselhaft-bedrohlichen Situation ausruft: „Was zum Teufel soll das?!!!“
Und schon wird ihm von einem Außerirdischen der Kopf abgebissen.

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Habe gehört, dass E-mails so offen für andere sind wie Postkarten. Es gibt also bei den Providern Leute, die kriegen das pralle Leben geboten. Das meiste wird jedoch untergehen in der Flut des Larifaris. Würden ihnen jedoch die skurrilen, lustigen, tragischen, schrecklichen herausgefiltert präsentiert, dann tät’s reichen, einem den Kopf wegzusprengen.

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Schon oft habe ich bei wissenschaftlichen Erklärungen gefunden, dass irgendwo an einer entscheidenden Stelle gemogelt wird. So als der Wissenschaftsjournalist J. Bublath im ZDF zu erklären versuchte, warum der nächtliche Sternenhimmel angesichts der Milliarden und Abermilliarden Sterne nicht taghell ist. Er sagte, das liege daran, dass das Licht der Sterne, das bei uns eintrifft, größtenteils von Sternen stamme, die längst aufgehört haben zu existieren.
Das glaube ich aber gar nicht.
Wenn ich einen Stein nach jemandem werfe und tot umfalle, bevor er getroffen wird, hat doch der Stein nicht weniger Wucht, als stünde ich noch auf den Füßen.

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Ist dir eigentlich schon aufgefallen, wie viel Werbung im TV für Kommunikation gemacht wird? Eigentlich ist es ein absurder Vorgang, nur weil er uns schon geläufig ist, fällt es nicht auf. Sprechend wird dafür geworben noch mehr zu sprechen. Irre!

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Eine urbane Sage in einem Film gehört:
Als Chrustschow abgesetzt wurde, übergab er seinem Nachfolger zwei Zettel in je einem Umschlag. Er sagte: „Wenn du einmal in große Schwierigkeiten gerätst, dann öffne den ersten Umschlag, lies den Zettel und tue, was dort steht, dann sind deine Schwierigkeiten gelöst.
Wenn du später erneut in große Schwierigkeiten gerätst, dann öffne den zweiten Umschlag, lies den Zettel, tue, was dort steht, dann sind auch diese deine Schwierigkeiten gelöst.“
Nach einer Weile geriet sein Nachfolger in große Probleme. Er öffnete den ersten Umschlag und las den Zettel. Dort stand: „Schiebe alles auf mich!“ Das tat er, und so war ihm tatsächlich geholfen.
Als er dann irgendwann erneut in Schwierigkeiten kam, aus denen er keinen Ausweg wusste, öffnete er den zweiten Umschlag. Er las: „Setze dich hin und schreibe zwei Zettel!“

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Wenn am Denken der Frauen stets beide Gehirnhälften gleichzeitig beteiligt sind, dann wird ihr Fühlen immer von der Logik bestätigt und Logisches immer vom Gefühl, und zwar sich einander hochschaukelnd, bis die Sichtweise einer Form der absoluten Wahrheit entspricht. Gegen diese Form der Wahrheit ist nicht zu argumentieren. Du kannst sie annehmen oder ablehnen. Ist der Wahrheitsentwurf von einem Weib, das du liebst, wirst du dich fügen und ihn annehmen, manchmal zähneknirschend, manchmal bereitwillig, der Verlockung wegen, die darin steckt. Und so treiben die Weiber die Welt an, mit ständig neuen Wahrheitsentwürfen.

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Ein Mezzosopran erzählte völlig naiv, wie seine Konzerte die Menschen positiv läutern würden, sie gingen anders hinaus als sie hineingekommen seien, würden dem Taxifahrer, der sie abholt, anders begegnen als dem, der sie hingebracht habe. So ein Quatsch, ist doch längst widerlegt durch KZ-Schergen und Nazigrößen, die Wagner u.a. gehört haben. Die Idee, dass Kunst die Menschen adelt und besser macht, kann man sich getrost von der Backe putzen.

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Höchst seltsam: Beim Notieren spüre ich einen starken Unwillen gegen den Schreibgestus. Phänomenal: Ich, der Verfechter der Qualität der Handschrift, will mit einem Mal lieber Tasten drücken. Freilich sind die Bedingungen schlecht gewesen, war bekifft, hatte wenig Licht, den Block auf dem Schoß, aber wenn ich ehrlich bin: Ich schreibe immer seltener mit der Hand.
Das hätte ich vor 10 Jahren nicht geglaubt.
(Hier fand ich einen Tag später einen Verschreiber, statt „Tasten drücken“ stand „Taten drücken“. Ja, vor Taten will ich mich, so scheint’s, auch gerne drücken.)

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Mein Bruder erzählte mir einmal, er habe von einer leitenden Angestellten der Firma gelernt, wie man sich als Geschäftsführer zu verhalten habe. Zum Beispiel im Kontakt mit Lieferanten. Wenn der Lieferant am Telefon einen Preis nennt, dann sage man zuerst gar nichts. In die peinliche Stille hinein werde er dann sein Angebot zu rechtfertigen suchen und signalisieren, dass der Preis verhandelbar sei.

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Ständige Selbstanalyse, das Nachdenken über sich und andere kann leicht dazu führen, dass man am Ende gar nichts mehr sicher weiß. Alle Gewissheit verbirgt sich dem grübelnden Geist.

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Ein Film, in dem nur dicke, sehr dicke Männer mitspielen. Behäbige Dicke, agile Dicke. Eine Welt von frauenlosen dicken Männern, in dem nicht klar wird, warum Frauen nicht auftauchen.

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„Der Teufel scheißt immer auf den dicksten Haufen!“ heißt, das Glück ist dem hold, der es nicht braucht. Auch die Menschen reagieren so, wie es das Leben an ihnen und anderen demonstriert. Sie jubeln dem Sieger zu und missachten den, der geschlagen in den Seilen hängt. Sozialverbände dienen dazu, diesen Atavismus auszugleichen. Staaten, Clans, Familien, Zweierbeziehungen sind der Versuch, dem Atavismus ein Maß an Sicherheit entgegenzustellen. Diese Sozialverbände funktionieren nur bei ausreichender sozialer Kompetenz.

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„Big Brother“, das ist Proletenfernsehen für Proleten. Nur die Tatsachen, dass alle anderen einfach zufällig hinein zappen können in dieses Format, schafft ein Problem. Dann wird sogleich der vermeintliche Kulturverfall festgestellt, das gute alte Fernsehen als Drecksschleuder empfunden, die dir den Mist in die Wohnstube schaufelt. Doch das ist soziale und kulturelle Arroganz. „Big Brother“ und ähnliche Formate zeigen nur die Welt der unteren Schichten, wie es sie immer schon gab. Und im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung wird es bald noch mehr Proletenfernsehen geben.
Statt also zu lamentieren darüber, ihr Herrschaften, könnten Sie doch mal daran arbeiten, dass es den Proleten einfach besser geht, so dass sie bessere Lebenschancen für sich ausmachen können, statt ins Fernsehen zu gehen und den Affen zu machen.

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Ungeschickte Wissenschaft

Die Computerzeit hat eine Form der Wissenschaft hervorgebracht, die ich ungeschickt nennen will. Neben den akademisch geschulten Experten gibt es ein Heer von Autodidakten und Halbgebildeten mit großem Wissen. Exemplarisch für diese Menschen stehen einige Moderatoren von Giga-TV.
Hier glaube ich zwei Merkmale für die ungeschickte Wissenschaft zu sehen:

1. Die fehlende Trennung zwischen wesentlichen und nutzlosen Informationen
Es ist nutzlos, wenn in einen Bericht über das Produkt einer Computerfirma deren geschäftliche Verflechtungen eingestreut werden. Es trägt nichts zur Erhellung bei, sondern ist ein Zeichen, wie sehr sich jemand von seiner Materie vereinnahmen lässt.
Ungeschickte Wissenschaft ist demnach die fehlende Distanz zum Wissen.

2. Die Unfähigkeit, einen elaborierten Code zu sprechen. Wenn Wissenschaftler unter sich sind, kann die Kommunikation sich in engen sprachlichen Bahnen bewegen, die Außenstehenden nicht zugänglich sind. Der Schritt der Verallgemeinerung muss dem jedoch unmittelbar nachgeschaltet sein. Fachsprache gedeiht nur auf dem Boden der Allgemeinsprache. Wenn sie die Bodenhaftung verliert, wird sie zum hermetischen Code, der sich der Kontrolle des Geistes entzieht.
Dieser Effekt ist bei den Giga-Moderatoren dominant.
Ungeschickte Wissenschaft ist Fachsprache ohne Bodenhaftung

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Von den Wikingern gehört, dass sie den russischen Kontinent durchquerten, um mit arabischen Ländern zu handeln und dabei die kontinentale Wasserscheide überwinden mussten, die Schiffe also mühsam über Land zu südwärts führenden Flüsse transportierten. Was man dann handelte, war allein schon kostbar wegen des Aufwands, der nötig war.
So denke ich, dass Handel zunächst stets mit kostbaren Gütern beginnt. Ihre Kostbarkeit definiert sich durch den Aufwand, den man treiben muss, um sie zu bekommen. Wenn die Handelswege einfacher werden, wird einiges davon zu billigem Schrott, weil die Seltenheit verschwindet.
So ist es hier wie anderswo, der Mensch ist der große Banalisierer. Alles, was er tut, drängt zur Banalisierung der Dinge.

Mir scheint, die Natur bringt stets verschiedene Menschentypen hervor, die eigene Wege der Banalisierung gehen, schreckliche wie schöne, dumme wie kluge, völlig unbewertet, ohne soziale Wertidee. Was sich als nützlich erweist, die Verbreitung der Art zu sichern, in diese Richtung geht die Banalisierung voran. Es ist eine Form der Ausformulierung der Welt.
So ist eine Entwicklung der Zukunft unvorhersehbar, da es ein ständiger Rückkopplungsprozess ist. Und da wir davon nichts wissen, was sich in den Randzonen auftut, können wir auch nicht vorher wissen, wie es sich auf die Menschheit auswirkt.
Eines jedoch ist deutlich, je stärker der Informationsaustausch zwischen Menschen, desto rascher läuft der Rückkopplungsprozess.

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Rechte am Alphabet
Ein Wunder, dass noch keiner der modernen Wegelagerer und Zolleintreiber vor dem Irrenparadies auf die Idee gekommen ist, sich die Rechte am Alphabet zu sichern.
Hätte ich die Rechte am Alphabet, würde ich jedem Computernutzer ein kleines Kontingent nur zugestehen, und wollte er mehr Text verfassen, müsste er eine zusätzliche Lizenz erwerben. Das wäre ganz wunderbar, denn man hätte zwei positive Effekte auf einmal:
1. Die ungeheure Textflut würde ein wenig eingedämmt.
2. Das Wort, für das man bezahlt hätte, würde sorgsamer verwendet.
3. Texte bekämen wieder mehr Gewicht, weil sie nicht mehr wohlfeil sind.

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