Von der Kunst der Eigenregie

Kürzlich, sagte Jeremias Coster, dubioser Professor der Pataphysik an der RWTH Aachen, habe er ein witziges Erlebnis gehabt, während im Fernsehen die Dokumentation über Dreharbeiten an einem Animationsfilm gezeigt worden sei. Ein Sprecher im Off habe gerade gesagt: „So haben auch hier wie bei jedem anderen Film die Regisseure das letzte Wort.“ Kaum sei der Satz verklungen gewesen, habe er, Coster, das Fernsehgerät mittels Fernbedienung ausgeschaltet. Erst dann sei ihm aufgefallen, dass er damit den Regisseuren das letzte Wort genommen hatte.

Man sei ja im gewissen Maß sein eigener Regisseur und gebe bewusste und außerbewusste Regieanweisungen. Schon die absichtsvollen Handlungen seien ja nicht immer von Geschick begleitet. Vertrackt jedoch seien die unbewussten Regieanweisungen. Denn von ihnen wisse man nicht, wie sie sich auswirken und welchen Anteil sie haben.

Geben Sie ein Beispiel, Coster.

Unbewusste Regieanweisungen gibt man mittels Körpersprache. Mit ihr signalisiert man dem anderen, wie ein unbewusster Teil unseres Ichs in der Welt zu sein beliebt. Ähnlich heimliche Anweisungen stecken in der Sprache, und zwar in den Inhalten wie in der ungeschminkten Wortwahl. Und nicht zuletzt sind alle gezielten Handlungen auch von heimlichen Anweisungen begleitet. So steuert der Mensch bewusst und unbewusst, was ihm im Leben widerfährt.

Ein beunruhigender Gedanke.

Zweifellos. Da gilt es, sich zu beobachten und Schlüsse daraus zu ziehen. Dann lassen sich die bewussten und außerbewussten Kräfte sammeln und auf ein Ziel ausrichten.

Wie sähe das praktisch aus?

Ein bewährter Trick sind sparsame Bewegungen, was Sparsamkeit in allem bedeutet, in der Mimik, in der Gestik, in der Sprache, in den Handlungen. Wer sich einer solchen Eigenregie unterwirft, von dem sagt man, er habe sich unter Kontrolle. Rein theoretische betrachtet sind Laxheit der Eigenregie oder strenge Selbstkontrolle gleichwertig. Sie funktionieren nach dem gleichen Muster. Denn auch die Äußerungen unter strenger Selbstkontrolle sind in Teilen unbewusster Natur, wenn auch auf einer höheren Bedeutungsebene. Darum ist in der Praxis die Selbstkontrolle effektiver, zumindest in Zeiten, die von starker Konkurrenz geprägt sind.

Sie meinen, wer sich in unserer Zeit zuviel Laxheit der Eigenregie gestattet, ist nicht konkurrenzfähig?

Er wird jedenfalls genau das Leben bekommen, das ihm die anderen gestatten, die sich besser unter Kontrolle haben. Da muss halt jeder sehen, wie es ihm genehm ist. Und er zum Beispiel, schloss Coster, sei jetzt müde und gehe zu Bett.

„Loss mer nom Bett jonn, die Lück wulle heemjonn“, sagte ich. Auf gut deutsch: Lasst uns zu Bett gehen, die Besucher wollen nach Hause. So wirft man im Rheinland späte Gäste hinaus.

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