Abendbummel Online – Widersprüchliche Botschaften

Welch liebliche Luft empfing mich vor der Haustür. Es war herbstlich warm, und schon bald konnte ich mich an der Vielfalt der Bekleidung bei den Leuten erfreuen. Zu keiner anderen Jahreszeit ist sie so groß. Man sieht das wunderbare Nebeneinander von bauchfreien Topps und Herbstjacken, von Sandaletten und Winterstiefeln. Die eine will den Sommer halten, die andere wünscht sich den Herbst herbei. Bei Männern ist es vermutlich nicht anders, das weiß ich nicht genau, weil ich mir Männer nur flüchtig angucke.

Als mich ein Renault Twingo passierte, hab ich doch einmal genauer hingeschaut. Ältere Herren, die einen Renault Twingo steuern, wirken immer so, als hätten sie das Auto ihrer Tochter entführt.

Ich bin einfach immer dort gelaufen, wo die Sonne schien. Am Hauptgebäude der Technischen Hochschule gruppierten sich gerade festlich gekleidete Damen und Herren auf der Freitreppe. Der Fotograf hat sich Mühe gegeben. Gewiss wollte er für die Nachwelt erhalten, wie die festlichen Damen und Herren ins milde Herbstlicht getaucht waren.

Einer dieser Wegelagerer, die einem auf der Straße eine Heilsbotschaft aufschwatzen wollen, ließ gerade von einer Frau ab und wandte sich mir zu. Mag sein, dass es Leute gibt, die sich eine Heilsbotschaft einfach so von unterwegs mit nach Hause nehmen wie einen Blumenkohl. Ich jedenfalls nicht, und das war meine Botschaft an den Mann, als ich mir mit Vergnügen sein „Entschuldigen Sie bitte!“ und „Hallohooo!“ in den Nacken reden ließ, bis er verzagte und stehen blieb.
Prismaklein
Den Gekreuzigten vermutet man nicht in einem Laden, der sich „EURO ASSESSOIRES“ nennt. Sie hatten Prismen in verschiedenen Größen auf einem runden Tisch platziert. Eines davon habe ich mir gekauft. Und da hing über der Kasse der gekreuzigte Jesus.
Rechts daneben die Frohe Botschaft:

Ohrringe und Unterwäsche vom Umtausch ausgeschlossen!

Jesus war ja Zimmermann und hat eventuell einen Ohrring getragen. Die Unterwäsche im alten Palästina kann man getrost vergessen, das Lendentuch hatte Einheitsgröße XL. Daher konnte ich das religiöse Symbol und die Botschaft nicht recht zur Deckung bringen. In einem Laden, wo der Flitter und Tand aus dem großen weiten Asien verkauft wird, hätte ich allerdings eher einen gekreuzigten Jesus erwartet, der in einen Kurzharzblock eingegossen ist.

Zum Glück sind wir Deutschen tolerant und verbrennen wegen solch einer kleinen Sache keine Fahnen. Übrigens war ich nicht in Münster, sondern in Aachen, obwohl der Kassenzettel das Gegenteil behauptet.

Egal. Wir Meister im Ignorieren von Widersprüchen und wundern uns zum Beispiel auch kaum, wenn der Friseur im Friseurladen „Haarsträubend“ selber eine rasierte Glatze trägt.

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