Von Falschnehmung und vom Sinn des Bloggens

Jedesmal, wenn ich meine eigenen Seiten hin und her scrolle, sehe ich im rechten Augenwinkel etwas Rotes vorbeiziehen, und gerade habe ich erneut darin das Sparkassenlogo gesehen und hab mich prompt gewundert.
aFalschnehmung
Wenn der Mensch ein vergleichendes System im Gehirn hätte, also eines, das unabhängig vom anderen Teil des Gehirns ebenfalls wahrnimmt, dann könnte jeweils ein Abgleich stattfinden, eine bessere Informationsverarbeitung. Denn unsere Wahrnehmung ist in vielen Fällen eine Falschnehmung.

Schon unsere perspektivisches Sehen ist eine Falschnehmung. Die Dinge weiter weg vom Betrachter sind ja nicht kleiner als die in der Nähe. Der Mensch sieht es jedoch so.

(Nebenbei: In einer alten chinesischen Klassifizierung von Tieren findet sich auch der Gliederungspunkt: „Tiere, die aus der Ferne wie Fliegen aussehen“.)

Wir wissen, dass Teller gemeinhin rund sind, sehen sie jedoch auf dem Tisch als Oval. Dass man trotzdem das Gemüse nicht neben den Teller gibt, bewirkt der Prozess im Gehirn, den man Konstanzleistung nennt. Was wir über das Auge verzerrt wahrnehmen, wird in der Informationsverarbeitung entzerrt.

Wer oder was jedoch entzerrt unsere faktischen Falschnehmungen, dass man z.B. glaubt, einen bestimmten Menschen gesehen zu haben oder aber ein Logo der Sparkasse? Es ist ein zweites Hinsehen erforderlich. Doch dieses zweite Hinsehen gönnen wir uns nicht immer, wenn wir zum Beispiel sehr beschäftigt sind. Manchmal bleibt das zweite Hinsehen auch aus, weil man die Falschnehmung nicht verwunderlich findet, also weil man nicht aufmerksam wird.

Viele Diskussionen zwischen zwei Menschen haben etwas mit Falschnehmungen der Beteiligten zu tun.
Beispielsweise gibt es Menschen, die, wenn sie sich verhören, ein Wort mit negativem Wortsinn hören, obwohl ein positives Wort gesagt wurde.

Zwei betrunkene Männer sah ich einmal, und der eine sagte zum anderen:
„Du bist doch kein Idiot!“
„Was? Ich bin ein Idiot?!“, rief der andere aufgebracht.

Wo die Kommunikation gestört ist oder nicht stattfindet, ist jeder in einer Fülle von Falschnehmungen gefangen, die ihm nicht auffalllen und deshalb sein Bild von der Welt prägen.

Daraus folgt, dass der Mensch zwei Möglichkeiten hat, sich gegen seine Falschnehmungen zu schützen:

=> den Mitmenschen als vergleichendes System zu nutzen,
=> die eigene Aufmerksamkeit zu schärfen, weniger in Gedanken sein und mehr in der Welt

Doch gerade der allein lebende Mensch neigt dazu, sich in seiner Gedankenwelt zu verlieren und somit Aufmerksamkeit von der Umwelt abzuziehen. Und ich glaube, dass hier die Quelle der Einsamkeit liegt. Wenn ein ausreichender Abgleich der eigenen Wahrnehmungen mit denen der realen Umwelt nicht stattfindet, versinkt der Mensch in Schwermut und fühlt sich einsam.

In diesem Sinne ist das Blogschreiben ein kleines Gegenmittel gegen das Aufkommen der Einsamkeitsgefühle. Und in diesem Sinne hat jede Form des Schreibens und jede Form eines Blogs eine Berechtigung. Indem ich das schreibe, denke ich, dass auch ich mich mäßigen muss, wenn ich ein Blog entdecke, vor dem ich den Kopf schüttele, innerlich natürlich.

Doch ich finde, es geht seit dem Beginn des neuen Jahres ein wenig lahm zu auf der Plattform. Ist es selektive Wahrnehmung oder empfinden andere es auch?

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