Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim – Kakophonie im denkfaulen Nachmittagskopf

trithemius & Frau NettesheimFrau Nettesheim
Trithemius! Was ist los mit Ihnen?

Trithemius

Nix.

Frau Nettesheim
Genau das meine ich. Sie sind doch sonst so gesprächig.

Trithemius
Liebe Frau Nettesheim, so gerne ich mich mit Ihnen unterhalte, ich kann meinem denkfaulen Nachmittagskopf gerade keine zitatwürdigen Äußerungen abringen.

Frau Nettesheim

Von Ihnen erwartet das ohnehin keiner.

Trithemius

Sie sind vielleicht lustig. Wir sitzen hier auf dem Präsentierteller oder besser gesagt, auf einer virtuellen Bühne. Und das für ewige Zeiten, zumindest solange das Internet besteht. Stellen Sie sich vor, Frau Nettesheim, wenn wir beide längst abgenippelt sind, kann jemand unser aktuelles Gespräch belauschen, der sich zur Zeit noch in der Krabbelphase befindet und am liebsten an seinen Zehen lutscht. Irgendwann ist er erwachsen und fragt die Suchmaschine seines Rechners nach dem Wort „Kakophonie“. Und prompt müssen wir beide antanzen und drüber sprechen.

Frau Nettesheim

Wir reden doch gar nicht über Kakophonie, sondern über Ihren denkfaulen Nachmittagskopf.

Trithemius
Wir reden auch nicht übers Sterben. Doch unser Gespräch „Vom Sterben, im Hellen betrachtet“ wird neuerdings ständig aufgerufen. Das heißt, während ich Ihnen grad was über die Kakophonie auf dem Markt erzählen will, lässt ein anderer uns zum Thema letzte Ruhe parlieren. Im Internet kann alles gleichzeitig passieren.

Frau Nettesheim
Für uns beide ist nur der jeweilige Augenblick von Belang. Ihre Vision, wir würden zum dadaistischen Simultangerede herbeizitiert, ist in Wahrheit ein rein theoretisches Problem.

Trithemius
Dadaistisches Simultangerede ist das Stichwort, Frau Nettesheim. Heute Mittag saß ich auf dem Markt und wollte zu einem Milchkaffee die Süddeutsche lesen. Doch rund um mich herum war ein derart kakophonisches Stimmengewirr, dass ich mir gewünscht habe, meine Ohren wären wieder zu. Und dann habe ich mich immer wieder erstaunt umgeguckt, denn außer mir schien das niemanden zu stören.

Frau Nettesheim
Die Leute blenden den Lärm eben aus. Nur Sie sind noch nicht daran gewöhnt, weil Sie gerade erst beim Ohrenarzt waren. Ich muss noch immer schmunzeln, dass Sie mir kürzlich erzählt haben, die Güterzüge seien leiser geworden, seitdem man auf der Brücke neue Schienen verlegt hat.

Trithemius
Da sehen Sie mal, wie man sich täuschen kann und subjektive Wahrnehmungseinschränkungen zu rationalisieren versucht.

Frau Nettesheim
Darin sind Sie Weltmeister.

Trithemius
Vielen Dank, Frau Nettesheim. Man wird Ihre freundliche Bemerkung noch beschmunzeln können, wenn wir beide längst der subjektiven Wahrnehmungstäuschung unseres Hinscheidens unterliegen.

Frau Nettesheim
Do maache se in Kölle kein Finster vür op.

Frau Nettesheim

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