Abendbummel Online – Über lauter kleine Dinge

Also, mein schönes grünes 50-Zentimeter-Lineal ist nicht das Urmeter. Das bewahren sie in Paris auf. Ich besitze es auch schon sehr lange, und im Laufe der Jahre könnte das Plexiglas meines Lineals sich um ein paar hundertstel Millimeter verformt haben und somit vom Urmetermaß abweichen. Doch wenn ich mit meinem Lineal zum Beispiel eine Strecke von 43,5 cm messe, dann ist sie nicht etwa in Wahrheit 44 cm lang, sondern allerhöchstens vielleicht 43,503.

Im Mediamarkt hingen jedoch nur Leuchtstoffröhren von 44 Zentimeter. Da stand ein Verkäufer und gönnte sich ein Päuschen. Ich fragte: „Sagen Sie, gibt es das Maß 43,5 Zentimeter bei Leuchtstoffröhren nicht?“
„Das weiß ich nicht, ich bin nicht aus dieser Abteilung“, sagte er, machte sich jedoch auf den Weg, den Kollegen aus der Abteilung zu rufen. Der sagte zuerst, er wisse nicht, ob es das Maß 43,5 cm bei Leuchtstoffröhren gibt. Nahm dann aber kurzentschlossen die 44-Zentimeter-Röhre aus dem Halter und reichte sie mir.
„Die ist richtig“, wusste er plötzlich.

Stimmte auch. Die Röhre passt, und ich hab im Bad endlich kein Flackerlicht mehr.

Nebenbei: Am hellen Tag bin ich einmal in einem Bad gewesen und hatte plötzlich einen Lichtblitz vor Augen. Ich habe mich erschreckt und dachte, bei mir sei irgendwas durchgeknallt. Gerade wollte ich schon um Hilfe rufen, auf dass man mich in die Notaufnahme karrt, da blitzte es wieder. Und jetzt sah ich den Übeltäter. Es war eine Leuchtstoffröhre über dem Spiegel. Diagnose: Wackelkontakt. (Die technische Störung heißt natürlich anders. Ich kenne das passende Wort jedoch nicht. Wackelkontakt ist auch ein schönes Wort.)

=> Thema. Warum jedoch, frage ich mich, sind 44-Zentimeter-Leuchtstoffröhren in Wahrheit nur 43,5 Zentimeter lang? Um einen wie mich zu verunsichern, so dass er seinem Lineal nicht mehr traut? Damit die „Fachverkäufer“ etwas zu orakeln haben? Es ist vermutlich eines der vielen Mysterien des Alltags.

=> Was war noch? In der Post warf ich 55 Cent in den Briefautomaten und bekam keine Briefmarke. Ich drückte die Abbruchtaste. Da kamen meine 55 Cent zurück sowie zwei weitere 50-Cent-Stücke. Na, ich habe das Geld genommen. Das Schicksal hatte es mir zugespielt. Doch ich frage mich, wie es kommt, dass zwei meiner Vorbenutzer des Automaten ohne Briefmarke und ohne Geld weggegangen sind. Kann es sein, dass sie von der Technik des Automaten überfordert waren? Vielleicht zwei alte Mütterchen, die auf diese Weise ihr letztes Geld verloren haben? Zugegeben, das war jetzt ein bisschen dick aufgetragen.

=> In der Stadt sieht man immer mehr kniende Bettler. Sie knien mit durchgedrücktem Kreuz und halten z.B. einen Becher. Diese Form des Bettelns hat es in meiner Region im letzten Jahr noch nicht gegeben. Einer kniete unter einem Gerüst, das den Gehweg überspannte. Man konnte jedoch auch noch vor dem Gerüst vorbei. Da dachte ich, der Bettler muss bald lernen, dass Deutsche nicht gern unter einer Leiter oder einem Gerüst durchgehen.

=> Eines noch zum Thema Bus. Ich stand an einer Kreuzungsampel, und ein Gelenkbus bog langsam um die Ecke. Er zog an mir vorbei, so dass ich Ruhe hatte, den Insassen ins Gesicht zu sehen.
Es gab eine einheitliche Mimik bei allen. Missmut. Da dachte ich, eigentlich unverständlich. Die Busse haben zwar manchmal geringfügige Verspätung. Doch der öffentliche Nahverkehr in den Städten ist eine zuverlässige Einrichtung, die weit weniger kostet, als sie Kosten verursacht. Eine solche öffentliche Einrichtung ist in manchen Ländern des Erdballs undenkbar. Den Leuten dort käme es paradiesisch vor, wenn man sie so bequem und so erschwinglich hinfahren würde, wohin sie wollten.

Es ist jedoch kein deutsches Problem, dass die Leute in Bahn und Bus missmutig und teilnahmslos geradeaus gucken. Ich habe einmal eine seltsame moderne Volkssage gehört:

In Stockholm habe man vor einigen Jahren neue silberne U-Bahn-Züge eingeführt. Doch diese Bahnen blieben fast leer. Man stieg nicht gerne in sie ein und wartete lieber die nächste Bahn ab. Denn es wurde gemunkelt, mit den silbernen Bahnen stimme etwas nicht. Man könne nur schwer oder gar nicht wieder aus ihnen aussteigen. Deshalb säßen auch die wenigen Insassen so versteinert da.

Die Leute, die das glaubten, hatten sich gewiss noch niemals selbst gesehen, wie sie üblicher Weise in der U-Bahn sitzen.

Der Bus hielt übrigens. Einige Leute stiegen aus. Das Gesicht brachten sie mit. Es liegt also nicht an Bahnen oder Bussen.

Guten Abend

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