Post von künstlichen Menschen – Mein surrealer Alltag

Gerade stehe ich vor meinem Bücherregal, hab ein Buch herausgezogen, um ein sprachliches Rätsel bei Licht zu besehen, da taucht aus dem Nichts ein Kerl auf wie ein verfluchter Springteufel, reißt einen bunten Prospekt hoch und hält ihn mir direkt vor die Nase.

„Weg da!“, sage ich unwirsch. Er hört nicht, hat offenbar gar keine Ohren, aber ein Wort auf der Stirn wie ein Golem. „Schließen“ steht da. Und wie ich es wegwischen will, dem Golem das künstliche Leben zu nehmen, da streift mein Blick für einen Moment den Prospekt. Es ist ein rotes Auto darauf zu sehen, und rundherum steht etwas geschrieben. Schon ärgere ich mich, das gesehen zu haben, und ich kann dem Golem nicht schnell genug über die Stirn wischen. Augenblicklich versinkt er im Orkus, aus dem er gekommen und mit ihm sein Autoprospekt.

Als Sokrates einmal über den Athener Markt ging, sagte er: „Wie zahlreich sind doch die Dinge, die ich nicht brauche.“ So geht es auch mir. Da können sich die Händler die Seele aus dem Hals schreien, was ich nicht haben will, will ich nicht haben. Und erst recht will ich nicht haben, was man mir andrehen will, aufschwatzen, aufnötigen. Je mehr sich die Marktschreier ins Zeug legen, desto größer wird mein Widerstand.

Es ist ganz und gar rausgeschmissenes Geld, mir Prospekte vor die Nase zu halten, im Fernsehen oder im Internet, wo sie Pop-up-Fenster heißen. Es ist so absurd wie der Golem zwischen mir und meinem Bücherregal. Schon alleine, weil Pop-up-Fenster so dumm gemacht sind. Denn wenn man ungebetene Werbung macht, dann müssen die wichtigsten Inhalte direkt bei dem Wort „schließen“ stehen. Oder anders gesagt: „Schließen“ gehört ins Zentrum und sollte größer sein als alles andere. Das wäre wenigstens höflich.

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