Pah! Wittgenstein!

Unten auf der Ecke wartet ein Taxi. Ich schaue eine Weile hin, aber es kommt kein Fahrgast. Für einen Augenblick überlege ich, ob ich ein Taxi bestellt habe. Dann wundere ich mich, dass ich, noch im Schlafanzug hinter dem Fenster stehend, mir überhaupt eine derartige Frage stellen kann. Wie lange wird der Taxifahrer dort unten warten, bevor er ungeduldig wird, aussteigt und irgendwo Sturm klingelt, womöglich brutal meine Schelle presst, so dass ich mitmuss wie ich grad bin. Wo lasse ich mich hinfahren? Im Schlafanzug könnte ich mich höchstens auf der Limmerstraße zeigen. Da würde ich im Schlafanzug nicht auffallen.

Allein die Durchgeknallten, die Lindener Sumpfblüten würden mich für ihresgleichen halten wie die Penner damals in Aachen, als ich in den Eingang ihres Sauftreffs gefallen bin. Da kam ich Abends mit dem Rad aus der Stadt, hatte was getrunken und kein Licht am Rad. Ich radelte die Trierer Straße hoch. Plötzlich überholte mich ein Polizeiauto. Damit sie mich nicht drankriegten, hielt ich an, wollte meinen rechten Fuß auf den Bordstein setzen, trat daneben und fiel der Länge nach in den zur Straße offenen Eingang einer Trinkhalle, wo sich die Berber des nahen Bahnhofs Rothe Erde trafen, um Bierflaschen oder Jägermeisterfläschchen leerzulutschen.

Ich fiel also in den Eingang und wurde von den anwesenden Pennern mit freundlichem „Hohoho!“ und „Hallohallo!“ begrüßt. Offenbar war das Hineinfallen die angemessene Weise, die Trinkhalle zu besuchen, und ich hatte mich schon im Sturz als einer der ihren qualifiziert.

Aufgerappelt und
nochmal zurück. Wieso kann ich mich fragen, Männer, ob ich ein Taxi bestellt habe, nur weil es vor dem Haus wartet? Wieso sagt mir die innere Gewissheit nicht, dass ich derlei nicht zu denken brauche? Zweifel an der Gewissheit sind ja nach Wittgenstein nur im Sprachspiel möglich.
„Hoho, der feine Herr fährt Taxi und zitiert Wittgenstein!“
„Hat nur den Schlafanzug am Hintern, aber lässt sich hochherrschaftlich kutschieren!“
„Pah! Wittgenstein! Nach John Locke gründet zwar alle Erkenntnis auf Erfahrung, aber alle Gewissheit auf Intuition.“
„Entschuldigt! Darüber muss ich erst in Ruhe nachdenken. Bis später dann!“
Upps, nochmal Glück gehabt. Und der Taxifahrer? Ich stelle einfach die Klingel ab. Dann ist er gekniffen.

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