Anachronistische Spekulation über das Schreiben mit der Nase

Gerade löffele ich im Biosupermarkt meinen ‚bunten Gartentopf‘, da muss ich plötzlich nachdenken, obwohl doch beim Essen das Blut woanderes gebraucht wird. Der Vater am Nebentisch fragt nämlich seine halbwüchsige Tochter: „Hast du schon mal mit der Nase geschrieben?“ „Wie das denn?“ „Auf einer Glasscheibe“, sagt er und demonstriert es pantomimisch. Abgesehen davon, dass ich es grundsätzlich begrüße, wenn Väter ihren Kindern Unsinn beibringen und somit deren Kreativität befördern, muss ich mir eingestehen, dass ich selbst noch nie mit der Nase geschrieben habe. Ob die Handschrift dabei noch zu erkennen ist?


Eigentlich bleibt sie
konstant, egal welches Schreibgerät man in die Hand nimmt, sogar wenn man wie Lichtenberg den Namen mit Kresse sät oder wie in dem Witz, von dem mir während des Essens nur die Pointe einfällt. Liegt es an der unpassenden Jahreszeit, weil Schnee drin vorkommt, derweil es draußen wieder richtig warm geworden ist? Die Pointe lautet jedenfalls: „Ich kenne doch die Handschrift meiner Tochter.“ Anfang und Mittelteil fallen mir erst später ein:

Sagt der Vater zum Freund seiner Tochter: „Was unterstehen Sie sich, vor unserem Haus ‚Ich liebe dich!’ in den Schnee zu pinkeln.“ Er keck: „Woher wollen Sie wissen, dass ich das war?“ Der Vater: „Na hören Sie mal! …
(siehe oben).

Handschrift heißt vermutlich so, weil sie mit der Hand geschrieben wird; das Schreibgerät spielt keine Rolle. Zweifellos ist die Nasenspitze kein handliches Gerät. Man muss die Schreibspur durch eine Kopfbewegung erzeugen. Die Vorstellung von der Form der Buchstaben ist aus der Auseinandersetzung zwischen Gestaltungswillen, Handmuskulatur, Schreibgerät und Beschreibstoff gewonnen, beeinflusst aber über die verinnerlichte Formidee vermutlich auch das Schreiben mit der Nasenspitze. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass die Nase der eigenen Handschrift etwas hinzufügen wird. Aber in Zeiten des Computers schreibt kaum noch jemand mit der Hand, erst recht nicht mit der Nase. Man wird auf das Fotodokument warten müssen, bis ich nach dem Duschen auf den beschlagenen Spiegel eingenäselt habe. Solange steht hier der Musiktipp:
Blur
Ong Ong

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10 Kommentare zu Anachronistische Spekulation über das Schreiben mit der Nase

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