Ein Bild und seine Gedichte (3)

Kalt die Beine – kalt die Schienen
Gleichklang und doch unvergleichlich,
Ähnlich, aber doch verschieden,
Hart das Gleis, die Schenkel weichlich.

Antlitz unter schwarzem Schleier,
Wehmut in den welken Zügen,
Nur der Wind, der kalte Freier
Zaust ihr Haar und flüstert Lügen

Frau Schygulla Tausendschön,
Wartend mit dem Blick nach Osten
Am Kontrollpunkt hundertzehn,
So sah sie der Streckenposten.

Dämmer fällt mit leiser Tücke,
Dringt ins Herz und macht es schwer.
Nutzlos klafft des Mantels Lücke,
Schwarzen Strumpf sieht niemand mehr.

(Trithemius, Archiv)
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Weil sie zu nah am Zuge steht
ist ihr das Beinkleid weggeweht.
Das Antlitz hinter Trauerflor,
begrub den Gatten sie zuvor.
Da sieht man sie mit nackten Beinen
um Gatten und das Beinkleid weinen.
Der Gatte, er kommt nicht zurück.
Doch hinterließ er ihr zum Glück
testamentarisch pflichtgemäss
seine “American Express”.
Für´s neue Beinkleid. Gottlob. Amen!
Und zahlt mit seinem guten Namen.

(Lo)
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Bei diesem Bild kam ich sogleich
in Strudel, denn ich folgte
dem Link in der Notiz.
Sie wissen, wie das ist, man sucht nach Pudel
und landet bei Hospiz.
Ich folgte also dem Vermerk zur Wikipedia
und siehe da, das Bild von Frau Schygulla
war dort viel aktueller.
Stopp mal! Nicht noch schneller!
Gediegen scrollen wir hinab
und sehen rechts den Stern.
Wir schauen überlegt dorthin,
denn Hollywood, läg‘ auf der Hand,
so schwatzte die Notiz vom Rand zur Frau in Strapsen
Doch denkste, es ist nur Berlin.
Oh, Wowereit, ick hör dir trapsen!
Wir scrollen weiter blümerant
sehen uns’ren Wowereiter mit der Schere in der Hand
Dahinter Tommy, er ahnt schon die Misere
und guckt, als ob er hoffe, man hätt‘ ihn nicht erkannt.

(Shhhhh)
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Jäh fährt der Schreck ihm in die Glieder –
Das gibt’s doch nicht, da steht sie wieder!
Erst kürzlich fror er auf den Gleisen
Verhandelnd wegen Bargeldpreisen.
Sein Plastikgeld blieb unbedankt
Statt Liebesspiel wurde gezankt.
Dass sie jetzt einsah, was doch geht
Kommt für den Schmollenden zu spät.
Vertan die Chance, ihn zu verwöhnen –
Mit ihr wird er sich nicht versöhnen.

(Jessie)
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Es wartete Frau Schygulla
auf einen Zug, doch siehe da:
es blieb kein Zug nicht stehn!
Wie konnte das geschehn?
Ob’s daran lag, daß wo sie stand
sich gar kein Bahnhof nicht befand?

So stand sie also mittenmang
im Nirgendwo am Schienenstrang
und dachte drüber nach
und fror ein wenig, ach!,
in ihrem dünnen Negligee,
und zog zuletzt das Resümee:

“Nun wart’ ich schon so lang, indes
kein Zug nicht kommt, auch kein Express.” (*)
Es ward Frau Schygulla
erst später dieses klar,
warum kein Zug nicht ließ sich blicken:
am GDL-Streik tat’s wohl liegen!
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(*) Nicht einmal ein American
Express ließ sich von fern erspähn.

(krassNick)

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10 Kommentare zu Ein Bild und seine Gedichte (3)

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