Radiohören mit Klopapier

Wie nennst du eigentlich einen Raum, in dem sich Dusche, Waschbecken, Waschmaschine und Toilette befinden, nennst du den Bad oder Toilette? Angesichts der Tatsache, dass die Tür zu diesem Raum in der Wohnung von Herrn Putzig eine goldene Türklinke hat sowie ein ebensolches Türblech und Herr Putzig möglicherweise ein bisschen gschamig ist, wollen wir von seinem Bad sprechen. Jedenfalls sah ich letztens in seinem Bad eine 10-er-Packung Toilettenpapier, auf deren Plastikhülle ein Ghettoblaster aufgedruckt war. Ein Lautsprecher war aber schon ganz schlaff, weil bereits die äußeren Rollen fehlten.

Eine Weile habe ich Poetry-Slams besucht, hatte dann aber genug von der Szene, weil mir das eitle Getue der Slammer auf den Geist ging. Jedenfalls hörte ich einmal einen jungen Slammer von einer peinlichen Begegnung im Supermarkt erzählen, wie er nämlich gerade einen 10-er-Pack Toilettenpapier gegriffen hatte, und plötzlich steht sein heimlicher Schwarm vor ihm. Da kann er nur verlegen stammeln. Gegen solche Peinlichkeiten hilft natürlich, erwachsen zu werden, ersatzweise die Ghettoblaster-Verpackung. Ich stelle mir vor, wie Herr Putzig den falschen Ghettoblaster lässig auf der linken Schulter nach Hause getragen hat, ein bisschen sogar grooven musste, um die Illusion perfekt zu machen. Welche Befreiung von der peinlichen Vorstellung, dass ihn jemand sehen könnte wie er eine Familienpackung Klopapier nach Hause trägt und wie der Betrachter bei sich feixt: „Glückwunsch! Jetzt kann wieder ordentlich geschissen werden!“ Höchstens könnte ihm passieren, dass einer sagt: „Na, Putzig, hörst du wieder deine scheiß Musik?“

Trotzdem würde ich so einen gefakten Ghettoblaster nicht kaufen. Ich hätte die Sorge, Ex-Schüler von mir würden mich damit sehen. Das ist nicht so abwegig. Als ich gerade erst kurz in Hannover-Linden war und morgens Brötchen gekauft hatte, hörte ich von einem Balkon wie eine junge Frauenstimme erstaunt meinen Namen rief, also meinen richtigen mit „Herr“ davor, nicht mein Autorenpseudonym, unter dem man mich in Hannover kennt. Kann ja sein, dass eine Exschülerin von Aachen zu ihrem Freund nach Hannover gezogen ist. Gerade zupft sie die verwelkten Blüten aus den Geranien, da komme ich mit einer Ghettoblaster-Packung Klopapier am Ohr vorbei. Sie geht rein und sagt: „Stell dir vor: Justament ging mein früherer Deutschlehrer aus Aachen vorbei und horchte doch tatsächlich an einer 10-er-Packung Lokuspapier. Der war ja schon immer ein bisschen gaga, aber hier, wo er glaubt, dass ihn keiner kennt, ist er völlig durchgeknallt.“ Und ihr hipper Freund sagt ganz smart: „Dein Ex-Deutschlehrer hört Radio mit Klopapier? Was seid ihr da für Freaks in diesem Aachen?“

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