Volontär Schmocks Trendkompass März – Haßlöcher


Nonverbaal is ook en taal. (Jules van der Ley; Tagebuch)

Zwischen Jülich und Aachen liegt ein Ort namens Langweiler. Immer, wenn ich bei meinen Trainingsfahrten durch das stille Dorf rollte, ich war dann meistens auf dem Rückweg und redlich müde, habe ich mir zu meiner Erquickung eine Gemeinderatssitzung vorgestellt, die vom Bürgermeister eröffnet wird mit den Worten: „Guten Abend, liebe Langweiler!“

Wie begrüßt man wohl die Einwohner von Haßloch? „Liebe Haßlöcher?“ Ein Haßlocher möchte ich ehrlich gesagt nicht sein. Ich würde mich überall schämen deshalb, außer natürlich in Haßloch. Da weiß man vermutlich, dass Haßloch nicht so schlimm ist wie es klingt, jedenfalls nicht schlimmer als Pforzheim, Tuntenhausen oder Fickmühlen. Haß in Haßloch stammt etymologisch vom Haselstrauch ab, einer Pflanze, die allerdings von Pollenallergikern zu Recht gehasst wird. Haßlocher sind wahrscheinlich echte Langweiler, aber sehr wichtig in einer Welt, die das Durchschnittliche liebt, quasi verehrt.

Haßlocher sind so durchschnittlich, dass die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) das Haßloch zum Testmarkt erhoben hat. Hier wird jedes Produkt vor seiner Markteinführung getestet. Was die 19.000 Haßlocher mögen, mögen alle anderen Deutschen auch. Wenn es im Mai 2011 bei Lidl sprechende Personenwaagen zu kaufen gab, dann hatten offenbar viele Haßlocher Singles danach verlangt. (Damit sie am Wochenende mal einen zum Reden haben.) Neuerdings haben Haßlocher vermutlich nach Personenwaagen mit USB-Anschluss verlangt. Deshalb hatte ein Discounter sie im Angebot. Ich hatte schon eine solche Waage im Einkaufswagen, hab sie dann aber ins Regal zurückgelegt, denn ich dachte: „Am Ende will die blöde Waage dauernd ins Internet.“ Dann will ich mich einfach nur wiegen, aber meine Waage ist im Internet, macht ein Update und meldet ganz nebenher meine gesammelten Daten an die GfK weiter. Um das gut zu finden, muss man vermutlich ein echter Haßlocher sein.

Schon immer waren Waagen unverschämt. Ich erinnere an die kommerziellen Personenwaagen in den Bahnhofshallen, die den arglosen Reisenden belästigt haben mit der apodiktischen Forderung: “Prüfe dein Gewicht!” Wer sich einfangen ließ, bekam eine Reihe weiterer Befehle. Fehlt noch “Arschbacken zusammen und Salutieren!” Zum Dank grunzte die Waage wie ein Schwein, wenn man sich draufgestellt hat. Das Geheimnis ihres Erfolgs.

Jüngst zeigte mir die Lebensgefährtin eines guten Exkollegen einen Brief, den ihr die Post zugestellt hatte, und fragte mich, ob mir etwas daran auffalle. (Die wichtigsten Elemente sind unten zu sehen.) Ich kam nicht drauf, weil ich mir die Briefmarkenwerte nicht genau angesehen habe.

Der Brief ist mit 2 x 2, also vier Euro-Cent offenbar gültig frankiert. Von Hannover aus schickte ich den beiden eine ebenso mit vier Eurocent frankierte Ansichtskarte. Auch sie, wurde mir bestätigt, ist anstandslos zugestellt worden. Der Trick liegt bei der eckigen Einklammerung der Postleitzahl. Dann gilt, so die urbane Sage, jede Postsendung als Feldpost und ist entsprechend preiswert. Ja, ist denn Deutschland noch im Krieg? Die so genannten Reichsdeutschen sagen ja, weil es keinen gültigen Friedensvertrag gibt.

Folglich sind die BRD und DDR keine gültigen Rechtnachfolger des Deutschen Reichs gewesen, und das jetzige Haßlochdeutschland ist es auch nicht. Trickreich hatte Helmut Kohls Regierung bei der Heimholung der Zone den Begriff „Friedensvertrag“ vermieden, weshalb wir jetzt den Griechen kackfrech die Entschädigungs- zahlungen verweigern können. Supi! NIMM DIESEN MITTELFINGER, GRIECHENLAND!

Die Deutsche Post bestreitet übrigens, dass Frankierungen mit vier Euro-Cent ausreichen. Manche behaupten, man könne auch eine Phantasiemarke aufkleben, der Brief käme an. Ich will es demnächst mal mit diesem verdienten Mann hier versuchen, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Sieben Jahre hat der typische Haßlocher nicht mehr auf dem Schirm.

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