Griechenland vor der Wahl – Eine Syriza geführte Regierung könnte das Ende der Austeritätspolitik einleiten

von Gregor Kritidis

Kaum war die Nachricht eingetroffen, daß in Griechenland für den 25. Januar 2015 Neuwahlen ausgeschrieben worden sind, reagierte die Bundesregierung: Via Spiegel ließ sie inoffiziell verkünden, dass im Falle eines Wahlsieges der Koalition der Radikalen Linken SYRIZA, ein Grexit – das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone – auf der Tagesordnung stünde. Diese Meldung wurde umgehend von Wirtschaftsminister Gabriel dementiert und gleichzeitig bestätigt: Zwar wolle man Griechenland in der Eurozone halten, ein Ausscheiden des Landes sei aber seitens der EU wirtschaftlich zu verkraften. Aus diesem Grund sei man nicht erpressbar und erwarte von der griechischen Seite Vertragstreue.

Mit dieser doppelten Botschaft will Berlin einen Offenbarungseid vermeiden, denn mit der Austeritätspolitik ist Berlin auf ganzer Linie gescheitert. Selbst wenn die zukünftige griechische Regierung die seit 2010 abgeschlossenen Kreditverträge mit den Staaten der Eurozone und dem IWF einhalten wollte: Sie wäre dazu nicht in der Lage.

Griechenland ist noch viel tiefer in der Krise als 2010, als das Land von der EU und dem IWF „gerettet“ wurde: Die Staatsschulden sind trotz des Schuldenschnitts 2012 von rund 300 Mrd. € Ende 2009 auf rund 320 Mrd. € Ende 2014 gestiegen und betragen nun rund 175 Prozent des Bruttoinlansprodukts. Die Wirtschaft ist seitdem um mehr als ein Fünftel eingebrochen, und das Wirtschaftswachstum im letzten Quartal 2014, das die Regierung Samaras für sich als Erfolg reklamiert, ist nur mathematischer Natur: Da die Preise schneller sinken als das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität, ergibt sich das Wachstum nur auf dem Papier. Tatsächlich ist die griechische Ökonomie in einer deflationären Abwärtsspirale.

Der Primärüberschuss im Haushalt – das ist das Haushaltssaldo vor Schuldendienst – ist nur auf Basis von stetigen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zustande gekommen und beträgt 2,5 Mrd. €. Diesem Überschuss stehen Steuerausfälle von mehr als 70 Mrd. € gegenüber, und monatlich kommt rund eine weitere Milliarde dazu. Das leichte Sinken der Arbeitslosenzahlen – 27 Prozent der Griechen sind ohne Job – liegt vor allem daran, dass immer mehr Menschen das Land verlassen.
Die griechischen Banken, wiederholt mit Mitteln aus den Krediten Brüssels restrukturiert, sitzen auf einem Berg von „notleidenden“ Forderungen, die mittelfristig zu großen Teilen abgeschrieben werden müssen.

Angesichts dieser desaströsen Situation haben sich die Gläubiger Griechenlands – das sind vor allem der IWF und die EZB – bisher damit beholfen, die Zinssätze zu senken und die Laufzeiten der Kredite zu verlängern. Dabei ist die gegenwärtige ökonomische Lage eine zwingende Konsequenz der eigenen Politik: Die „innere Abwertung“, das heißt das Sinken von Löhnen, Gehältern sowie Preisen für Waren und Dienstleistungen war und ist das erklärte Ziel von IWF, EZB und Eurogruppe. Dieses Ziel einer allgemeinen Deflation ist auch erreicht worden, mit der unvermeidlichen Folge, dass das griechische Nationaleinkommen im Verhältnis zu den Staatsschulden gesunken ist. Alle bisherigen Regierungen in Athen haben sich dabei als willfährige Vollstrecker dieser Politik erwiesen.

Angesichts der rapiden Talfahrt der griechischen Ökonomie ist das Ende absehbar. Denn selbst wenn durch eine weitere Senkung der Zinsen und eine erneute Streckung der Kredite auf Zeit gespielt wird: Irgendwann ist das Fass leer und es folgt der ökonomische Zusammenbruch.

Es wäre jedoch verfehlt, der Austeritätspolitik ihre innere Logik abzusprechen. So sind unter dem Diktat der Gläubiger die Eigentumsverhältnisse neu geordnet worden. Um die Privatisierung der öffentlichen Betriebe zugunsten der großen Kapitalgesellschaften in Europa voranzutreiben, wurde extra nach dem Vorbild der deutschen Treuhand eine Privatisierungsagentur gegründet. Zudem wurde den privaten Besitzern griechischer Staatsanleihen die Gelegenheit gegeben, ihre Forderungen an die EZB zu verkaufen, die dadurch zu einer Art europäischen Bad Bank avanciert ist.

Die Ziele der Austeritätspolitik sind also weitgehend erreicht worden. Das Schuldenproblem ist damit freilich nicht gelöst: Von den rund 320 Mrd. € Schulden liegt der größte Teil bei der EZB und dem IWF. Da die griechische Seite nicht mehr in der Lage ist, diese Kredite zu bedienen, muss ein großer Teil davon abgeschrieben werden. Und selbst wenn Griechenland die Eurozone verlassen würde: Seine Schulden könnte der griechische Staat trotzdem nicht bedienen.

Es ist also
unvermeidlich, die Politik der Konkursverschleppung zu beenden und sich den ökonomischen Tatsachen zu stellen. Das würde bedeuten, anzuerkennen, dass das Austeritätsprogramm für Südeuropa gescheitert und daher eine Umschuldung nicht nur für Griechenland, sondern auch die anderen Länder der Peripherie unvermeidlich geworden ist. Ein Wahlsieg von SYRIZA könnte zu einem Fanal für einen Paradigmenwechsel in der EU werden.

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