Tatort Im Schmerz geboren – Schon der Titel geht in die Hose

Der letzte Tatort „Im Schmerz geboren“ mit Ulrich Tukur scheint sehr gut gefallen zu haben. Seine Vorauskritiken waren Jubelarien, und hinterher wurde ihm bescheinigt, nicht minder als genial gewesen zu sein. Die Journaille fühlte sich an Filme von Tarantino und Truffaut erinnert, wegen der vielen Leichen und der Dreiecksgeschichte im Vorleben von Kommissar und Gegenspieler, entsprechend Truffauts ménage à trois im Nouvelle-Vague-Klassiker „Jules et Jim“ . Weitere Anleihen und Filmzitate listet Spiegel online begeistert auf. Das alles konnte und kann man freilich auch als Warnung lesen, dass nämlich Florian Schwarz, der Regisseur des Tatorts, und sein Drehbuchautor, Michael Proehl, in geliehenen und viel zu großen Schuhen daher stolpern. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich solch hochgefürsteten Kitsch verabscheue.

Mir war der
Plot sogleich suspekt, und ich habe ehrlich gesagt nur wenige Szenen mir angesehen, dann aber gleich wieder umgeschaltet. Das befähigt mich durchaus zu einer Kritik, wie man gleich lesen wird. Gesehen habe ich die Szene auf dem Bahnsteig, als Erzverbrecher Richard Harloff (Ulrich Matthes), ein nach Südamerika geflohener Ex-Polizist, mit dem Zug eintrifft, wo ihn drei Männer erwarten, zu sehen auf einem Video aus einer Überwachungskamera. Die Akteure stehen da wie die Ölgötzen, plötzlich wird einer der drei Männer von der Seite durch einen offenbar gewaltigen Schuss getroffen, wobei er theatralisch zur Gegenseite stürzt wie man das aus dem Wildwesttheater eines Vergnügungsparks kennt.

Die zweite Szene
spielte auf einem Schrottplatz. Erzverbrecher tritt dem Vater der drei Getöteten entgegen, dem Garagen-Gangster Don Bosco, der von seinen Männern umringt ist. Er wirft dem Vater ein Buch zu mit dem Hinweis, das habe einer seiner Söhne bei sich getragen. (Hier drängt sich die Frage auf, wieso die Überwachungskamera auf dem Bahnsteig nicht aufgezeichnet haben soll, dass der Erzverbrecher die Leiche gefleddert und das Buch an sich genommen hat.) Das Buch hat ein Loch, den Durchschuss, durch den auch der Vater erschossen wird, weil er das Buch dummerweise vor dem Herzen hält. Alberne Theatralik, die sich fortsetzt, indem nämlich der Erzverbrecher einen Lichtpunkt vom Laserpointer aus der geschlossenen Hand entlässt, dieser herauszurollen scheint, um dann am Körper des versteinert dastehenden Vaters hochzuwandern, weiter bis zum Schussloch im Buch – man weiß als Zuschauer schon, dass jetzt ein Schuss aus dem Gewehr eines Scharfschützen folgen wird. Nur der blöde glotzende Vater weiß das nicht, sondern lässt sich genau durch das Loch erschießen.

Toller Regieeinfall. Wenn ich völlig besoffen wäre und abgelenkt durch eine wunderschöne nackte Frau, die an mir rumfummeln wollte, so würde ich doch nicht übersehen, dass erstens der Scharfschütze für jeden sichtbar hoch am Himmel hängen müsste, um einen Lichtpunkt in die Handfläche des vor ihm stehenden Gangsters zaubern zu können, zweitens, dass die drei Söhne, mithin auch der mit dem Buch, von der Seite erschossen wurden. Folglich kann das Buch zwar einen Durchschuss haben und zwar, wenn er das Taschenbuch auch wirklich in der Hosentasche getragen hätte. Dann hätte der Schuss ihn in die Hüfte getroffen. Aber warum sollte der Scharfschütze ihm in die Hüfte schießen? Etwa weil er die Hose erschießen wollte und dabei versehentlich das Buch erschoss? Was is’n das für ein Scharfschütze?

Es gibt vielleicht Hosen, sicher aber Bücher, die verdient hätten, erschossen zu werden, wie Kleinkinder es tun, wenn sie den Gegenstand schlagen, an dem sie sich gestoßen haben, wobei zu fragen ist, ob nicht eher die Verursacher der Hose und des Buches dran glauben sollten. Der Regisseur solcher Hosen-Bucherschießungen verdient zweifellos eine faule Tomate. Von vorne! Voll in die Zwölf!

Nachtrag: Für Filmzitatsucher: In Truffauts Film „Fahrenheit 451“ werden Bücher zwar nicht erschossen, aber verbrannt.

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