Ich gegen Deutschland

Leider ist mir der Bescheid des Kreiswehrersatzamtes abhanden gekommen. Sonst würde ich die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz verklagen. Freilich ist es gut 40 Jahre her, dass ich den Kriegsdienst verweigern wollte. Damals musste sich einer „Gewissensprüfung“ beim Kreiswehrersatzamt unterziehen, wer sein Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Anspruch nehmen wollte. Es gab drei Instanzen. In der Prüfungskommission der ersten Instanz saßen zwei Zivilpersonen (meist pensionierte Richter oder Lehrer) und ein Vorsitzender, der passender Weise von der Bundeswehr gestellt wurde.

Ich war als junger Mann in diesen Dingen natürlich unerfahren, gerade war mein politisches Bewusstsein erwacht, und ich hatte keine Chance, zumal ich, wie man schrieb, überwiegend politische Gründe angeführt hatte. Ich hatte nämlich unter anderem behauptet, es wäre nicht auszuschließen, dass die Bundeswehr einmal in einen Angriffskrieg verwickelt würde. Das wurde mir als völlig absurd und absolut undenkbar beschieden, weshalb mein Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt wurde.

Inzwischen ist „die Bundeswehr zur Einsatzarmee geworden.“ (Bundeswehr.de) An Einsätzen in 16 verschiedenen Ländern sind 4.350 Soldatinnen und Soldaten beteiligt (Stand: 16. Juni 2014). Allein in Afghanistan sind 54 davon gefallen. Wenn auch davon geschwafelt wurde, der Afghanistaneinsatz wäre eine Friedensmission und diene der Verteidigung „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“ ( Peter Struck 2002), hat schon Bundespräsident Köhler bei einem Truppenbesuch in Afghanistan gesagt:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“

Bundespräsident Joachim Gauck geht im Juni 2012 beim Besuch der Führungsakademie der Bundeswehr noch weiter und sagt, „dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.“ Er rief die Deutschen zu größerer Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr auf und bemängelte zugleich eine gewisse Ignoranz der Bürger gegenüber den Streitkräften. Gauck sprach auch davon, dass Gewalt „notwendig und sinnvoll sein kann, um ihrerseits Gewalt zu überwinden oder zu unterbinden.“ und kürzlich im Deutschlandfunk:

“Aber heute ist Deutschland eine solide und verlässliche Demokratie und ein Rechtsstaat. Es steht an der Seite der Unterdrückten. Es kämpft für Menschenrechte. Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen. So wie wir eine Polizei haben und nicht nur Richter und Lehrer, so brauchen wir international auch Kräfte, die Verbrecher oder Despoten, die gegen ihr eigenes Volk oder gegen ein anderes mörderisch vorgehen, zu stoppen. Und dann ist als letztes Mittel manchmal auch gemeinsam mit anderen eine Abwehr von Aggression erforderlich. Deshalb gehört letztlich als letztes Mittel auch dazu, den Einsatz militärischer Mittel nicht von vornherein zu verwerfen.”


Quelle: WDR

Angesicht solcher Kriegsverherrlichung hätte ich gute Chancen zu belegen, dass mir wegen mangelnder Weitsicht der Prüfungskommission ein Schaden entstanden ist, nämlich 18 Monate Wehrdienst, die ich als verplemperte Lebenszeit erlebt habe, von den Schikanen ganz abgesehen, die ich als nicht anerkannter Kriegsdienstverweigerer ertragen musste. Nach meiner Bundeswehrzeit wurde ich vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf als Kriegsdienstverweigerer anerkannt und durfte anschließend guten Gewissens meiner ungehemmten „Glückssucht“ frönen, ohne auf Geheiß von Horst Köhler und mit dem Segen von Pastor Gauck jemanden erschießen zu müssen, weil er deutsche Arbeitsplätze gefährdet oder zufällig in einem Land lebt, dessen Regierung die Menschenrechte missachtet.

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8 Kommentare zu Ich gegen Deutschland

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