Schmocks Trendkompass – WM-Fiebersenkung

Damals hat die halbe Nation hinter dem Fernseher gestanden.
(Franz Beckenbauer)

BILD, das Zentralorgan für die allgemeine Befindlichkeit, hat ja schon letztens mit einer kostenlosen Lieferung alle deutschen Haushalte mit dem „WM-Fieber“ infizieren wollen. Davon haben sich die zahlreichen Verächter der BILD schon mal nicht anstecken lassen. Insgesamt scheinen die Korruptionsskandale der FIFA, die Vergabe der WM an Katar, der Streit zwischen den DFB-Bossen Zwanziger und Niersbach, Beckenbauers Vollsperrung durch die FIFA, die Zustände und Proteste in Brasilien, das ganze unappetitliche Drumherum also die Begeisterung der Fußballfreunde schwer zu dämpfen. Weil das Fieber hernieden so gar nicht richtig steigen will, titelt BILD.de „WM-Fieber im Weltraum“ und zeigt ein Video von Astronauten in der Raumstation ISS bei blödsinnigen schwerelosen Torwartparaden. Das „auch“ in der Behauptung aus dem Off: „Das WM-Fieber hat auch den Weltraum erfasst“, zündet aber noch nicht. „Von mir aus“, denkt der Mann auf der Straße, den die Erdenschwere drückt, und BILD.de rudert zurück mit der Meldung „Kein WM-Fieber im bayerischen Einzelhandel.“

Dabei hat sich der Handel schon mächtig ins Zeug gelegt und die Regale mit Fan-Artikeln geflutet. Doch was sich bislang zeigt, scheinen Restposten der vergangenen WM zu sein, fadenscheinige Deutschlandfahnen, von Sonne und Regen gebleicht, hängen traurig aus Fensterhöhlungen, deren Innerstes nicht mal der verwegenste Höhlenforscher kennen wollte. Falls es da Fieber gibt, möchte man das Elend nicht sehen. Wer jetzt schon mit zwei Schlandfähnchen am Auto herumfährt und mit kondomisierten Rückspiegeln in Scharz-Rot-Gold, outet sich jedenfalls als Volldepp.

Für diese Volldeppen bietet ein Discounter an: Ein Nudelgericht mit „Geflügelhackfleischbällchen“ im Plastiksäckchen namens „Deutschlandpfanne“. So kann der fieberduselige Fan endlich mal Deutschland in die Pfanne hauen. Das Wort „Weltmeisterschaft“ lässt sich die FIFA ja teuer bezahlen, hat aber versäumt, sich die Rechte an Wörtern wie „Deutschlandpfanne“ und „Brasil“ zu sichern. Für den zu erwartenden WM-Hunger der Fans hält die Nahrungsmittel-Industrie kuriose Merchandisingprodukte auf dem Fiebermarkt bereit mit Beleidigungen unserer Fußballer wie „Suppenstürmer“, „Rind mit Fußballnudeln“, „Mini-Würstchen“ (Gefunden bei shopblogger)

Samster und Bramster
, die beiden Prognose-Hamster der Studio-Brussel-Radiomoderatoren Sam de Bruin und Bram Willems haben das Ergebnis Brasilien gegen Kroatien mit 4:0, wie hier zu sehen, beinah richtig vorausgesagt (tatsächliches Ergebnis 3:1). Aber eigentlich lagen sie doch richtig, behaupteten Sam und Bram, weil das Gegentor der Kroaten in Wirklichkeit ein Selbsttor eines brasilianischen Spielers war. Die Brasilianer hätten viermal in ein Tor getroffen. Man könne von Hamstern schließlich nicht erwarten, dass sie wissen, was ein Selbsttor ist.


Quelle: Studio Brussel.be

Im Internet wird der Fall des von den Medien so genannten Höhlenforschers heiß diskutiert, der in der „Riesending-Höhle“ in Not geraten ist. Neben bedingungsloser Anteilnahme monieren viele, dass der Mann sich unnötig in Lebensgefahr gebracht hat und nun einen enormen Rettungsaufwand nötig macht, womit auch andere in Gefahr kommen.


Quelle: Tagesschau.de

User „Dr. Kawasaki“ glaubt offenbar, mit der Klassifizierung „Ein Forscher“ wäre alles gesagt. Für ihn ist das Wort Forscher so positiv besetzt, dass er allein durch den Fettdruck jeden Zweifler zu überzeugen glaubt. Trotzdem ist die Frage gestattet: Was genau ist denn ein Forscher? Es handelt sich offenbar nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung wie etwa Apotheker oder Arzt. Forscher kann sich jeder nennen, unabhängig vom Gegenstand seiner Forschung, und wenn er nur mit dem kleinen Finger in der Nase bohrt, um rauszufinden, was drin ist und wie tief er vordringen kann – Höhlenforschung, die auch nicht gefahrlos ist.

Der Hochwert des
Wortes hat mit der Gleichsetzung Forscher = Wissenschaftler zu tun und mit der Wissenschaftsgläubigkeit. Wer früher den Wert der Raumfahrt etwa bezweifelt hat und die Milliarden, die sie verschlingt, wurde mit dem Hinweis mundtot gemacht, diese oder jene Erfindung, mindestens aber die Teflonpfanne wäre ein segensreiches Ergebnis der Weltraumforschung. Spätestens nach den Torparaden der Astronauten in der ISS zweifeln wir nicht mehr daran, wie wichtig die Weltraumforschung ist. Wir warten auf die ersten Traumpässe der Höhlenforscher. Schön wären auch WM-Prognosen, in welcher Höhle sich zwei Höhlenforscher zuerst den Kopf stoßen.

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