Wie süß! Dieses Katzenbild müssen Sie gesehen haben!

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. ( Goethe, Faust 1)

Liebe Leserin! Liebe Leserin! Lieber Leser! Lieber Leser!

Was ist eigentlich Content? Eine Weile habe ich gedacht, Content wäre nur ein Synonym für Inhalte im Internet, beispielsweise in Blogs. Inzwischen weiß ich „Content“ ist etwas ganz anderes. Content ist darauf angelegt, möglichst hohe Aufmerksamkeit zu generieren und vor allem viral, also ansteckend zu sein. Viraler Content verbreitet sich über die sozialen Netzwerke, indem er geteilt, geteilt und wieder geteilt wird. Man kennt es vom berüchtigten Katzencontent. Der ist im hohen Maß viral, weit über das Internet hinaus. Das Video einer Klavier spielenden Katze bringt Millionen Klicks bei YouTube. Mit einem Katzenkrimi kann man sogar reich und berühmt werden, wie der Fall des inzwischen leider durchgeknallten Deutsch-Türken Akif Pirincci zeigt. In der Musik reicht sogar die Hinterlassenschaft der Katze. Natürlich ist die besonders viral, wie Helge Schneider mit seinem Hit „Katzenklo“ bewiesen hat. Frau Daniela Katzenberger, obenrum von der Natur nicht besonders begünstigt, hat den Katzencontent zu ihrem Glück im Namen, so dass sie so für eine Billig-Möbel-Kette werben kann: „Hallo, liebe Kunden! Hier ist wieder eure Katze! Frisch gepudert und geschminkt!“ Ein frühes Beispiel für erfolgreichen Katzencontent ist E.T.A. Hoffmanns zweibändiges Romanfragment „Lebensansichten des Katers Murr“ aus den Jahren 1819 und 1821.


Molly Mietzke – Zeichnung: Trithemius (Mehr über das tragische Schicksal von Molly Mietzke im Roman „Nachtschwärmer online“. Es wird Sie zu Tränen rühren.)

Es geht aber auch ohne Katze. Kürzlich veröffentlichte der Journalist Stefan Winterbauer im Medienportal „meedia“ zehn „unglaubliche Tipps“ zum Aufmotzen von Content. Wovon der klassische Blogger nur träumen kann, nämlich innerhalb kürzester Zeit hinsichtlich Reichweite und Klickzahlen als Senkrechtstarter in die höchsten Sphären der Aufmerksamkeit zu schießen, ist einer ungemein erfolgreichen „Viral-Schleuder“ (meedia) gelungen. Die Seite Heftig.co zeigt, dass Winterbauers Tipps nicht an den Haaren herbei gezogen sind, sondern tatsächlich eins zu eins funktionieren.

Was auch funktioniert, lässt sich an drei überaus viralen Beiträgen aus dem 1. Teppichhaus Trithemius demonstrieren (Nr. 2 ist mit 238 Kommentaren der Hit! ), wobei „viral“ hier die Interaktion in den Kommentaren bedeutet, bzw. wie stark die Leserinnen und Leser zu eigenen Beiträgen angeregt werden:

1) Lokales:
Mein armer Nachbar
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2) Prominente:
50 Jahre Verena Pooth-Ähnlichkeits-Wettbewerb

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3) oder was mit Kindern:
Bückware für Kannibalen
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Seit geraumer Zeit hat die Interaktion in der Blogosphäre erkennbar abgenommen. Man findet Blogs mit exzellent geschriebenen Beiträgen, die über weite Strecken unkommentiert geblieben sind. Da fragt sich, warum die Betroffenen überhaupt noch bloggen, denn Kommentare, nicht Klicks sind die Währung in der Blogosphäre. Blogs sind offenbar sowas von antiquiert, Leute! Blogger schieben einen schwerfälligen Karren, während sie links und rechts von den Porsche-Kabrios des viralen Contents überholt werden.

Doppelwähler zwie Lorenzo
Montage Trithemius

Anderes Thema: Warum soll ein überaus wichtiger Mann, ein hervorragender Leistungsträger mit so großem Ego, dass er mindestens einen neben sich gehen hat, eine Edelfeder wie Zeit-Chefredakteur Giovanni zwie Lorenzo nicht zweimal wählen dürfen? Schließlich löst er nur vorausschauend ein, was das schnöselige CDU-Mitglied Gottfried Ludewig schon im Jahr 2008 gefordert hat, nämlich „doppeltes Wahlrecht für Leistungsträger“.

Rentner und Hartz IV-Empfänger sollen demgemäß nur noch ein halbes Stimmrecht haben. Die Idee ist nicht neu. Zur Wahl des Abgeordnetenhauses im Königreich Preußen gab es das Drei-Klassen-Wahlrecht, wobei sich die Einteilung in die Abteilungen nach dem Steueraufkommen richtete. Ein solches Wahlrecht hätte den enormen Vorteil, dass die Leistungsträger unserer Gesellschaft ein Motiv hätten, sich nicht mehr arm zu rechnen bzw. keine Steuern zu hinterziehen. Schaden könnte das Drei-Klassen-Wahlrecht nicht. Was wollten Deutschlands Reiche und Superreiche groß anders wählen, wenn beim jetzigen Wahlrecht schon Figuren wie Gottfried Ludewig in den Bundestag einrücken und überhaupt das neoliberale Pack seit Jahren unangefochten regiert? Zudem würde das Bekenntnis zu mindestens einem Zwei-Klassen-Wahlrecht unsere gesellschaftlichen Verhältnisse ehrlicher abbilden. Man darf Giovanni di Lorenzo dankbar sein, dass er durch sein argloses Geständnis, zweimal gewählt zu haben, eine Denkbremse gelockert hat.

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13 Kommentare zu Wie süß! Dieses Katzenbild müssen Sie gesehen haben!

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