TV-Kritik: Oliver Kahns Dirndl und ein Lümmel in Warnjacke

„Danke, Uli Hoeneß! Wird die Steuermoral jetzt besser?“, fragte Sandra Maischberger in ihrer Talkrunde am Dienstag und hatte sich eingeladen den ehemaligen Finanzminister Erwin Huber, den Comedian Ingo Appelt, die Ex-Oli-Kahn-Freundin Verena Kerth, die „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl, den ehemaligen Steuerfahnder Dieter Ondracek und den „Wirtschaftswoche“-Chefredakteur Roland Tichy. Diese Besetzungsliste entnahm ich eben der ARD-Mediathek. Schon der Titel der Sendung ließ aufhorchen. Offenbar basteln die Spin-Doctors der ARD am neuen Image von Hoeneß als reuigem Steuersünder, der mit einem „Riesenfehler“ beladen, aber erhobenen Hauptes ins Gefängnis einzieht, weil er, wie wir jetzt glauben sollen, Deutschland den Riesendienst geleistet hat, dass die Steuerehrlichkeit zunimmt.

Man darf sich wundern. Hoeneß ist wohl als erster verurteilter Ganove schon resozialisiert, bevor er überhaupt im Gefängnis war. Der Sinn einer Gefängnisstrafe wäre damit längst erfüllt. Was bleibt da noch als Haftgrund? Soll er etwa im Knast auch noch die Tricks der Kleingauner lernen? Besser könnte er den Quatsch jetzt überhaupt lassen und, falls die Justiz uneinsichtig bleibt, sich in die Schweiz absetzen, wo sein Geld sowieso schon ist. Man würde ihm applaudieren, Kanzlerin Merkel würde Verständnis äußern, der Chefsalbaderer Gauck ihn freisprechen und die Maischberger-Redaktion könnte sich ein neues strunzblödes Hoeneß-Thema ausdenken.

Ich habe die Sendung zufällig eingeschaltet und mich gefragt, wer das Mensch im offenbar teuren, mit glitzernden Epauletten bestickten Dirndl ist, neben dem die Maischberger wirkte wie ein graues Mäuslein. Es war augenscheinlich nicht der ausgewiesene Steuer- und Moralexperte Ingo Appelt, der ja bekanntlich ein Dirndl nicht an der richtigen Stelle ausfüllen kann. Dieses Rätsel, das sogar den TV-Kritiker der Welt beschäftigt hat, wie ich heute las, dieses Rätsel ließ in mir eine perverse Lust aufkommen. Ich wollte unbedingt hören, was dieses Wesen zu sagen hat. Aber es tat, was Spielerfrauen früh lernen, nämlich dazusitzen, schön auszusehen und den Mund zu halten, wenn Männer (und Frau Pohl!) sprechen. Ingo Appelt, der normalerweise sein Geld dadurch verdient, im Fernsehen „ficken“ zu sagen, kam bedauerlicher Weise auch kaum zu Wort.

So habe ich leider das Geschwalle der anderen bis ganz zum Schluss anhören müssen, bis das Dirndl von der Maischberger endlich zum Sprechen aufgefordert wurde. Es hatte aber offenbar eingangs schon zum sattsam ausgeleuchteten Phänomen Hoeneß neue Aspekte beigetragen, durfte jetzt über das sprechen, was ihm am wichtigsten ist, nämlich teure Kleider. Oli Kahn hat sie seiner Freundin einst im Liebestaumel geschenkt, sie hat die Designerstücke stolz vorgezeigt, vermutlich in Bunte, Finanzbeamte, eher neidische Finanzbeamtinnen haben das gesehen und von ihr Schenkungssteuer verlangt. Das Dirndl hatte nie zuvor was von dieser Steuer gehört. Ich ehrlich gesagt auch nicht, kann aber auch keine teuren Geschenke machen und kriege nie solche.

Ein schöner Höhepunkt der Runde war freilich, als Herr Chefredakteur Roland Tichy tat, was die feinen Wirtschaftswoche-Leser von ihm erwarten. Eingespielt wurde ein Film, in dem ein Zollbeamter in gelber Warnjacke an der Deutsch-Schweizerischen Grenze vermutliche Bargeldschmuggler erwischt hatte und ziemlich nachdrücklich befragte, woher das Geld stammte. Tichy nannte den Beamten einen „Lümmel“ und offenbarte damit genau die Denkungsart, für die man ihm auf dem Golfplatz und im Yachtclub applaudieren wird. Es ist wohl überhaupt himmelschreiend, dass der „Überwachungsstaat“ (O-Ton Tichy) seine Lümmel zum Wegelagern aussendet, um Steuern von Leuten einzutreiben, die Millionen ihr eigen nennen und ungern davon abgeben. Der Staat verprasst die Kohle nur, stellt am Ende weitere Lümmel ein. Frau Ines Pohl wollte den „Lümmel“ nicht so stehen (hehe) lassen und rügte ihren Kollegen, vermutlich damit Appelt nicht auf die Idee kam „ficken!“ zu rufen.

Unklar ist nach wie vor, ob Hoeneß 28 Millionen oder 70 Millionen hinterzogen hat. So genau will es der „Überwachungsstaat“ dann doch nicht wissen. Was machts für einen Unterschied?, meinte Herr Huber, der freilich als Exaufsichtsratschef der Bayerischen Landesbank einen Verlust von 24 Milliarden (!) Euro mitzuverantworten hat. Was bleibt? Sattsam bekanntes Geschwätz gehört und ein sauber versteuertes Dirndl von Oliver Kahn gesehen, das sogar sprechen konnte. Für diese erhellenden Bilder opfere ich gern meine Zeit und zahle mit Freuden meine Rundfunkgebühren.

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4 Kommentare zu TV-Kritik: Oliver Kahns Dirndl und ein Lümmel in Warnjacke

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