Über die Hartnäckigkeit von Geist und Ungeist

Aus Gründen, die ich selbst nicht ganz verstehe, verfolge ich das Geschehen in unserem kleinen Nachbarland, dem Königreich Belgien. In den 70er Jahren kannte ich in Eupen (Ostbelgien) einen Druckereibesitzer, dem durch zwei Mitarbeiter eine unliebsame Konkurrenz entstanden war. Die beide hatten sich selbstständig gemacht und viele Kunden ihres ehemaligen Arbeitgebers abgeworben. Ich traf den Druckereibesitzer auf der Außentreppe der Aachener Kreissparkasse. Wir redeten über den geschilderten Fall. Er berichtete, dass er die beiden verklagt hätte. Dabei geriet der Mann in einen cholerischen Anfall und begann zu schreien, dass die Passanten stehen blieben. Es gipfelte im ulkigen Ausruf: „Ich hab der Richter in Brüssel 80.000 Franken (etwa 2000 Euro) gegeben, dass der die Halunken fertig macht!“

Das war meine erste Erfahrung mit Korruption im belgischen Rechtssystem. Ich wunderte mich vor allem, wie billig ein Brüsseler Richter zu haben war, und dass einer, der offensichtlich im Recht war, wie selbstverständlich für die Durchsetzung seines Rechtes zu zahlen bereit war. War es am Ende allgemeine Übereinkunft bei den Belgen, dass Richter immer geschmiert werden mussten? Weniger skurril waren die dubiosen Vorgänge in der belgischen Justiz im Fall um den Kindermörder Dutroux.

Ein neuer Fall betrifft das TV-Magazin Telefacs der Vlaamse Televisie Maatschappij (VTM). Am 8. April 2014 wollte man eine Reportage des VTM-NIEUWS-Journalisten Faroek Özgünes über einen inzwischen pensionierten Richter des Gerichts von Veurne ausstrahlen. Dem Richter werden Hehlerei, Korruption, Urkundenfälschung und sogar Erpressung vorgeworfen, was Gegenstand einer staatsanwaltlichen Ermittlung gegen ihn ist. Dieser Richter hat an einem Brüsseler Gericht eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der die Ausstrahlung der Reportage verboten wurde, bei Strafandrohung von 200.000 Euro. Der Chefredakteur von VTM Nieuws, Kris Hoflack, spricht von einem Anschlag auf die Pressefreiheit, wie sie ihm in seiner 25-jährigen Journalistenlaufbahn nicht begegnet sei.

Im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit habe ich eines gelernt: Der Geist oder Ungeist, der in einem Unternehmen oder einer Institution herrscht, ändert sich nicht, egal, wie viele Mitarbeiter im Laufe der Zeit ausgetauscht sind. Wer neu hinzu kommt, muss sich an den herrschenden Geist anpassen. Die belgische Justiz krankt an Korruption, doch wir brauchen uns nicht zu überheben.

Ein Auszug aus dem E-Book „Nachtschwärmer online“:

„Ein Kollege von mir hat einmal für seine Doktorarbeit in der Reichsabtei von Kornelimünster recherchiert. In diesem Archiv lagern die Wehrstammbücher von rund 2,8 Millionen Wehrpflichtigen des zweiten Weltkrieges und Personalunterlagen von Angehörigen des Heeres, der Luftwaffe und der Waffen-SS. Es ist eine Filiale der Nachweisstelle des Koblenzer Bundesarchivs. Später schrieb mein Kollege über den Fall eines U-Boot-Kommandanten, der 1943 wegen Wehrkraftzersetzung von einem Marinegericht zum Tode verurteilt wurde. Der Mann hatte vor seinen Offizieren gesagt, Hitler sei größenwahnsinnig, und der Krieg sei nicht zu gewinnen. „Ein sinnloser Tod“, schrieb er in seinem letzten Brief. In der Nacht vor seiner Hinrichtung hat er ein Bild gezeichnet, wie er mit ausgebreiteten Armen vor dem Erschießungskommando steht. Sein Richter hat überlebt und ließ sich in der neuen Bundesrepublik als Rechtsanwalt nieder. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, die alten Seilschaften in der Justiz schützten ihn gegen eine Bestrafung. Ich habe bei dem Kollegen gelesen, dass deutsche Kriegsgerichte zwischen 1939 und 1944 geschätzte 12.000 bis 50.000 Todesurteile ausgesprochen haben. Kannst du dir all die Richter vorstellen? Sie sind später wieder ins zivile Justizwesen zurückgekehrt, waren Anwälte, Staatsanwälte, Richter … wer kann erwarten, dass sie sich wegen ihrer Unrechtsurteile gegenseitig ins Gefängnis schickten. Wer hätte dann noch Recht sprechen sollen?“

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