Satan auf Schallplatte

Nr. 17 – Geheime Teufelsanbetung in der Popmusik

Was haben die Beatles, Led Zeppelin, Bruce Springsteen und die deutsche Schlagersängerin Sandra gemeinsam? Sie alle verdanken ihren Erfolg einem Pakt mit dem Teufel. Ihre Musik enthält „backward masking“ (Rückwärtsmaskierung), das heißt, Botschaften, die man hören kann, wenn man die Platten rückwärts abspielt. Dann ertönen schreckliche Dinge: Jesus wird verspottet, die Bibel entweiht und Satan wird angebetet. Auch auf den Platten anderer Rock- und Popartisten befinden sich Rückwärtsmaskierungen. Sie sind eine ernste Gefahr für die meist jugendlichen Hörer. Wenn man die Platten auch gemeinhin nicht rückwärts abspielt, nimmt man die unheiligen Botschaften trotzdem auf. Die Informationen werden unwillkürlich wahrgenommen und dringen ungefiltert ins Unterbewusstsein. Auf diese heimtückische Weise wird seit Jahrzehnten schon unsere Jugend verdorben.


Ende der 80er geisterte diese Geschichte durch alle Medien. Selbst seriöse Radiosender wie der WDR griffen sie auf. In einigen Programmen der holländischen Station Hilversum III sendete man im April 1998 eine Reihe von Spots, in denen die Hörer eindringlich vor „backward masking“ gewarnt wurden. In den USA gab es sogar Bestrebungen, Rückwärtsmaskierung gesetzlich zu verbieten.

In Deutschland zumindest wurde der Hype ausgelöst vom Jugendbuchautor Michael Buschmann mit seinem Buch „Rock im Rückwärtsgang“ (dt. 1987). Das Machwerk ist ein Roman, in dem Fiktionalität und die angeblichen Untersuchungsergebnisse des Autors unentwirrbar miteinander verwoben sind. Der Klappentext der deutschen Ausgabe verrät:

„Der Autor hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen in eine Erzählung eingebettet. Sie zeigt eindrucksvoll, welch ein zerstörerisches Werk Botschaften per ‚backward masking‘ im Leben junger Menschen vollbringen, weist aber auch auf das Leben in Freiheit des christlichen Glaubens hin.“

Unbestreitbar gibt es rückwärts eingespielte Passagen in der Popmusik. Schon im April 1966 hatten die Beatles bei der Aufnahme zu „Rain“ damit experimentiert. John Lennon berichtete, wie er nach den Plattenaufnahmen um fünf Uhr morgens müde nach Hause kam, sich den Schluss anhören wollte, und dabei versehentlich das Band rückwärts laufen ließ:

„Was war da bloß los? Für mich war es das Größte, wissen Sie, und eigentlich wollte ich das ganze Ding anschließend verkehrt herum singen. Und so war’s denn auch teilweise. Wir haben’s hintendran geklebt. Reiner Zufall damals, ich hatte das Band verkehrt eingelegt, die Musik, kam einfach verkehrt heraus, es machte mich ganz fertig. Die Stimme klang wie die eines alten Indianers (Inders?).“ (Zitiert nach Moers u.a.; Die Beatles)

Buschmanns Idee von der heimlichen Beeinflussung durch rückwärts eingespielte Passagen ist eine kindische Adaption von Berichten über Bewusstseinslenkung durch so genannte Subliminals. Subliminals sind Versuche unterschwelliger Beeinflussung durch Bild und Ton, wie sie in den 50ern erstmalig in amerikanischen Werbespots auftauchen. Ob Subliminals funktionieren ist weiterhin strittig. Zwar titelte die Zeit schon im Mai 1992 „Subliminaler Kokolores“, doch noch 2003 untersuchte man am Psychologische Institut der Universität Heidelberg „subliminalen Effekte als ‚Semantische Aktivation ohne bewusste Identifikation’“ aus: „Blinken Dollarzeichen in den Augen einarmiger Banditen?“ in Telepolis 3/2007

Wie soll Rückwärtsmaskierung wirken? Buschmann lässt im Roman einen seiner Protagonisten erklären:

„Entweder tarnen die Musiker ihre Zweitbotschaften, indem sie sie bei fertigen Liedern untermischen, oder sie maskieren sie, indem sie die Verse so komponieren, dass sie rückwärts gesungen ebenfalls einen Sinn ergeben. Die zweite Methode ist zwar kompliziert und langwierig, aber dafür spräche, dass hauptsächlich Bruchstücke von Liedern betroffen sind.“

Eine wunderbare Sammlung betroffener Musiktitel gibt es hier (mit Dank an Careca für den Nachweis) Buschmann setzt einen höchst verqueren Wahrnehmungsablauf voraus. Während man den Songtext hört, muss das Unterbewusstsein eine Informationsfolge aufnehmen, die ihm rückwärts präsentiert wird. Diese zunächst sinnlose Botschaft müsste im Kurzzeitgedächtnis gespeichert und, wenn sie komplett ist, umgedreht werden, ohne dass eine bewusste Denkoperation damit verbunden ist. Derweil lauscht man aber völlig unbelastet dem vorwärts präsentierten Text, vorausgesetzt, man versteht ihn. Ein kleiner Selbsttest beweist, dass eine solche Informationsaufnahme nicht einmal bei schriftlichen Palindromen funktioniert, obwohl man sie in Gänze vor Augen hat. Der Satz: Die Liebe ist Sieger. ist ein Rückling. Wenn man die Wortgrenzen ignoriert, lautet er von hinten gelesen: Rege ist sie bei Leid. Man erkennt diesen Rückwärtssinn nicht auf Anhieb, wie man auch einfache Rücklinge wie „Lager“ oder „Liebreiz“ und Palindrome wie „Rentner“ oder „Neffen“ nicht spontan erkennt. Rücklinge auf den Platten müssen jedoch nicht schriftlich, sondern akustisch geformt sein, was eine zusätzliche Schwierigkeit bedeutet. Unser Lautsystem ist viel komplizierter als unser Schriftsystem. Das heißt: verschiedene Laute werden mit gleichen Buchstaben wiedergegeben. Der Buchstabe „e“ in der Endung von »Sieger» vertritt einen anderen Laut als der Buchstabe „e“ in seiner Umkehrung „rege“.

Akustische Rücklinge sind demnach viel schwerer zu machen als schriftliche. Nun sind schon sinnvolle schriftliche Palindrome recht selten, akustische zu gestalten, die einen eindeutig vorgegebenen satanischen Sinn haben, ist schier unmöglich. Die bekannten Beispiele aus der Popmusik erfordern jedenfalls viel Phantasie und eine Menge guten Willens, um als Beweis absichtlicher Rückwärtsmaskierungen zu gelten. Popmusiker können also getrost weiter mit dem Teufel paktieren. Das Seelenheil ihrer Fans werden sie damit nicht gefährden, was freilich nicht für alle vorwärts gesungenen Texte gilt.

Auf dem Weißen Album der Beatles von 1968 befindet sich der Song „I’m So Tired“ – Hier singt John Lennon: „Indistinguishable gibberish”, was sich rückwärts gespielt anhört wie: ‚Paul is a dead man. Miss him, miss him, miss him.‘,womit wir bei der nächsten Sage aus der Popgeschichte wären:

Paul McCartney starb 1966 bei einem Autounfall.
(demnächst in diesem Theater)

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