Moderne Sagen – Ich bin ein Berliner Pfannkuchen



Bekanntlich zerfällt das deutsche Substantiv in Name und Klassenbezeichnung. Dies unterscheidet sie auch grammatisch. Bei der Klassenbezeichnung steht ein Artikel (die Rose, das Schnitzel), der Eigenname hat keinen Artikel (Rosi, nicht die Rosi; Gabi, nicht „ich bin eine Gabi“) Auf diesem Unterschied beruht eine Moderne Sage, die in den USA kursiert und die ich aus Wikipedia zitiere.

Am 26. Juni 1963 hielt der damalige Präsident der USA, John F. Kennedy, auf Englisch eine Rede vor dem Schöneberger Rathaus, in deren Verlauf er zweimal den deutschen Satz sprach: „Ich bin ein Berliner.“ Kennedy löste damit in Deutschland eine Welle der Begeisterung und anhaltender Verehrung aus. Man muss die besondere Situation des damaligen Berlin als eingeschlossene Stadt bedenken, wenn man die Wirkung des Ausspruchs verstehen will. Er ist seither tausendfach zitiert worden und ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingedrungen, so dass man noch 30 Jahre später mit einer speziellen Münzprägung Geschäfte machen konnte, wie die Anzeige aus der kostenlosen TV-Programm-Beilage Prisma von 1993 zeigt.

Nr. 14 – „Ich bin ein Berliner Pfannkuchen“

„In den USA (dagegen) entstand in den 1980er Jahren eine moderne Sage, nach der sich Kennedy durch unsauberen Gebrauch der deutschen Grammatik zum Gespött der Berliner gemacht habe. Der Sage nach habe der grammatikalisch korrekte Satz ‚Ich bin Berliner‘ heißen müssen (ohne unbestimmten Artikel), und Kennedys Wendung sei von den Berlinern als ‚Ich bin ein Berliner (Pfannkuchen)’verstanden worden, worauf großes Gelächter ausbrach. Obwohl diese Behauptung nicht stimmt, erfreut sie sich in den USA immer noch großer Beliebtheit und wird mit großer Regelmäßigkeit meist als ‚I am a jelly(-filled) doughnut‘ zitiert.

Foto aus der Berliner U-Bahn und Gif-Animation: Trithemius

Die älteste bekannte Fundstelle dieser modernen Sage ist der 1983 erschienene Roman Berlin Game (deutsch: Brahms vier, 1984) des britischen Autors Len Deighton, in dem die Behauptung aber vermutlich nicht ernst gemeint ist. Sie wurde allerdings in der Rezension des Buches in der New York Times aufgegriffen und dort wohl für wahr gehalten. In einem Artikel in der New York Times aus dem Jahr 1988 erscheint die Behauptung dann erstmals losgelöst von dieser Quelle. Sie wurde auch weiterhin in seriösen Medien kolportiert wie in der BBC, The Guardian oder NBC“ (Quelle: Wikipedia)

Lustiger Weise erfand ein britischer Autor diese Sage; in Deutschland hörte ich sie nie. In Berlin heißen Berliner ja gar nicht Berliner, sondern Pfannkuchen. Zudem ist aus der Szenesprache der 68 der Artikel vor einem Namen längst in den allgemeinen Sprachgebrauch eingedrungen und wurde durch den Sketch mit Dieter Krebs „ich bin der Martin, ne“ allgemein bekannt. Will sagen: Den meisten Deutschen fällt die falsche Verwendung des Artikels vor Namen nicht auf, so dass sie die Komik in Kennedys Satz nicht erkennen.


Diether Krebs Ich bin der Martin, ne von Augenblicke


Name/Klassenbezeichnung vertiefen: Teppichhaus Textberatung: Ich bin der Knut
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