Nieuw! Sensatie! Verlichting in Tapijthuis Trithemius

Die niederländische Sprache wird in Deutschland oft belächelt. Schon Lichtenberg spottete: „Der Esel kommt mir vor wie ein Pferd ins Holländische übersetzt“. Von den vielen Wörtern anderer Sprachen, die in den deutschen Wortschatz eingedrungen sind, gibt es in neuerer Zeit kaum welche aus dem Niederländischen, abgesehen vom Kunstwort Gas, das der flämische Chemiker Helmont erfand. Die meisten niederländischen Wörter sind inzwischen in Aussprache und Schreibung dem Deutschen angepasst, so genannte Lehnwörter. So wurde aus sinaasappel (wörtlich Apfel aus China) die deutsche Apfelsine (im 18. Jh. Chinaapfel). Unser schönes Wort Bücherei, das urdeutsch daherkommt, ist eine Lehnübersetzung vom 17. Jahrhundert aus niederl. boekerij, wobei man wissen muss, dass niederländisch oe wie unser u gesprochen wird, ij entspricht unserem ei. Eine Zusammenstellung der wenigen weiteren Wörter findet sich hier.

Niederländisch ist die Sprache meiner Jugend. Eine ganze Weile fuhren mein älterer Bruder Wim und ich an fast jedem Wochenende nach Holland, um dem spießigen Deutschland der Nachkriegszeit zu entfliehen. Die Holländer kamen uns weltoffener, toleranter und weniger obrigkeitshörig vor; kreativer und früher in ihrem Protest als die deutschen Protestbewegungen waren sie auch. Es gab immer die neueste Musik von holländischen Piratensendern wie Radio Veronica und Radio Nordsee International, witzig operierende Protestbewegungen wie die Provos, die Krakers, eine frühe Hausbesetzerbewegung, die sich gegen Wohnraumspekulation wandte und sogar Mitglieder in den Amsterdamer Stadtrat entsandten, die Kabouters, die bei ihrem Protest auf den Kabouterflöten bliesen. Legendär waren auch die Dollen Minas, radikale Aktivistinnen der Frauenbewegung, von denen unsere holländischen Freunde mit viel Respekt sprachen. In Deutschland waren die Frauen noch nicht erwacht.

Die holländischen Mädchen waren freizügig, ließen beispielsweise schon den BH weg, als deutsche Mädchen noch einengende Mieder (Bremser) trugen. Ich hatte eine ganze Reihe holländischer Freundinnen. Das war für mich auch ein Akt der Völkerverständigung. Ich erinnere mich noch gut an den Herbergsvater der Jugendherberge von Den Burgh auf Texel. Er versammelte eines Abends alle deutschen Jugendlichen und führte uns auf einen Friedhof, wo russische Zwangsarbeiter lagen. Sie hatten für die Deutschen den Kriegshafen Den Helder ausgebaut und waren anschließend von den Nazis ermordet worden. Das berichtete der Herbergsvater und sagte: „Das haben eure Väter getan!“ Ich fühlte mich damals nicht schuldig, verstand aber, warum manche Eltern nicht wissen durften, dass ihre Tochter mit einem Deutschen befreundet war.

Jedenfalls habe ich meine Vorliebe für Holland, das Niederländische und das weicher klingende Flämische nie verloren. Ich höre ziemlich oft flämisches Radio, Studio Brussel, und genieße die Erweiterung meiner Perspektive. Zudem höre ich dort neue Musik, auf die man in Deutschland erst später oder gar nicht aufmerksam wird. Die Sprache hat auch etwas Putziges und ist in ihrem Bilderreichtum für mich eine Quelle sprachlicher Kreativität. Auf das Putzige hat Kollege Lo letztens hingewiesen. Sein jüngster Kommentar hat mich angeregt, den Teppichhaus-Header ins Niederländische zu übertragen. Das Teppichhaus ist jetzt auch Tapijthuis.

Warum eigentlich
Teppichhaus, hat mich meine Logopädin jüngst gefragt. Es gibt mehrere Gründe. Zum einen bin ich wie jeder Blogger ein Knüpfer, indem wir durchs Verlinken Bezüge herstellen und das Netz ständig verdichten und erweitern. Doch die einfachste Erklärung: Der Teppich ist eine Textilie. Das Wort ist unverkennbar verwandt mit Text, was ursprünglich das unveränderlich Gewebte bedeutete und eigentlich der Bibel vorbehalten war. Die Bibel war der Text, an dem nichts geändert werden durfte. Demgemäß heißt die Schriftgröße von Gutenbergs 42-zeiligen Bibel, etwa 20 typografische Punkt, ebenfalls Text. Natürlich sind die Texte im Teppichhaus niemandes Bibel; im Gegenteil, sie sind beliebig zu interpretieren und lassen sich spurlos verändern, was ich immer wieder beim nachträglichen Redigieren tue. Meist hat ein Text erst gut zwei-drei Stunden nach Veröffentlichung seine vorläufig endgültige Form. Nebenbei: Das Tapijthuis hat eine neue Rubrik: „News & Erleuchtung, = satirische Nachrichten, die ich Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit empfehlen möchte.

Teppichhaus-Musiktipp
Selah Sue
Raggamuffin

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