Waidmannsheil! Gottes linker Haken kann auch schaden

Ein kleiner stämmiger Rheinländer, vierschrötig mit grober ewig triefender Säufernase, Bauunternehmer im Ruhestand, bodenständig und von keinerlei Selbstzweifeln angefächelt, hat im letzten Jahr stolze 86! Wildschweine geschossen und auch mit besonders stattlichen Exemplaren schon zwei Goldmedaillen gewonnen. „Un in diesem Jahr krieje isch och die Goldmedaille“, sagt er selbstbewusst und ein wenig eitel. Der Keiler wäre schon erlegt. „bei uns im Vorgebirge ham mir ja jute Böden, wenn man in der Eifel Wildschweine schießt, sind die Waffen oft abgebrochen von den Steinen.“ Was denn die Waffen sind, die Hauer etwa? „Jo,jo!“

Um diese frühe
Morgenstunde käme er normalerweise schon aus dem Wald. Wenn er eine Wildsau erlegt habe, würde er sie an Ort und Stelle aufbrechen und ausweiden, aber nicht umdrehen, damit sie ausbluten könnte, dazu wäre sie noch immer zu schwer, dann lege er seine Gummijacke drüber und würde erst einmal nach Hause fahren, um zwei Stunden zu schlafen. Schließlich sei er ja die ganze Nacht unterwegs gewesen. „Meistens schieß ich ein Wildschwein gegen drei Uhr. Dann hab ich dat schon paarmal gesehen, aber der Wind stand ungünstig. Dann verdrücken die sich wieder.“ Wildschweine sind schlau.

„Eine alte Sau ist schwer zu überlisten“,

weiß auch Hans Riegel, Bonn (Haribo), ebenfalls Saujäger aus Leidenschaft.

Was denn
des Bauunternehmers Frau dazu sage, wenn er nächtelang unterwegs ist. „Die kennt dat ja nicht anders von Anfang an, als wir noch nicht verheiratet waren.“ Das muss Liebe gewesen sein, einen Mann zu heiraten, der seine Nächte bei den Wildsäuen verbringt und morgens blutverschmiert nach Hause kommt.

Er ist schon auf der ganzen Welt unterwegs gewesen, um Tiere abzuknallen. In Afrika “Krokodile“ und „Geparde, die hatten jerade ein Rind gerissen“, Wildsäue in der Türkei „Denen schneid ich den Kopf ab, und den Rest werfe ich den Berg erunter.“ Ihm gehe es nur um die Trophäen. „Die hängen bei mir im Bürro alle an der Wand! Und im Keller!“ Davon zeigt er Fotos und sagt stolz: „WA! Dat is ene Dicke?“, als hätte er sich gerade eine fetten Popel aus der Nase gezogen.

(Entschuldigung für diesen schmutzigen Vergleich. Jetzt wieder zum echten, sauberen Waidwerk ohne despektierliche Bemerkungen. Denn Jäger schützen ganz selbstlos die Erde vor dem Überhandnehmen der Tiere, damit sie nicht zur Landplage werden, stehen dazu nächtens auf und schlagen sich die Nacht um die Ohren. Wenn unsereiner ganz egoistisch an der Matratze horcht oder säuisch der Wollust frönt, sitzen die Waidmänner stundenlang im Anstand, fangen sich laufend Zecken ein und sind überhaupt ständig in großer Gefahr. Und eigentlich ist der Bauunternehmer ein freundlicher Mann und irgendwie rührend, beinah putzig in seiner Naivität. Er kommt halt von einem ganz anderen Planeten als ich Vegetarier, besitzt auch Felle der in Kanada und Alaska geschossenen Bären.)

„Die Rehe in Sibirien sind ja viel größer als unsere Rehe.“ Egal. Die hat er auch totgeschossen. Und in Österreich hat er auch was erlegt „Aber ich bin eigentlich ein Wildsaujäger. Isch jehe auf Wildschweine!“ Wann denn die Jagdsaison beginne. „Erster Aujust! Vorher schieße mir nur Kleine. Aber nur da, wo die Schäden machen. Dann kann et schonma passieren, dat man eine Mama schießt.“ Nicht schlimm. Denn ungeborene Frischlinge sind auch nicht ohne. Irgendwann würden sie „Schäden“ machen. Die können ja nicht anders. Ihre Eltern und Großeltern, die ganze Wildschweinsippe zurück bis in die Steinzeit hat schon „Schäden“ gemacht. Sobald der Mensch den Wald gerodet hat, um sich anzusiedeln, und Ackerbauer wurde, haben die anderen Waldbewohner „Schäden“ gemacht. Wer bestimmt, wer Schädling ist? Der die besten Waffen hat, am besten keine abgebrochenen, sondern Ballerbüchsen, die aus sicherer Entfernung umhauen.

“Aus dem Rapsfeld kam nur dä Kopf eraus. Da hab ich sie erwischt. Un da hab ich mir so ne Markierungsstang mitjenommen, ich wusst ja unjefähr, wo die liegen musste, und da lag sie auch und war mausetot. Da hab ich die Stang da in den Boden gerammt. Un am Morjen, ein Freund hat sone Pickup, sin wir hinjefahren, ävver nur durch die Spritzspuren (wo der Traktor zum Spritzen der Rapspflanzen gefahren ist, man will ja keine „Schäden“ machen. Gut, dass die Sau so rücksichtsvoll war, tot in eine Spritzspur zu fallen) un do hämme die Sau aufgeladen un jlich zum Metzger jebracht. Dat jab 96 Dosen Gulasch. Da kommt aber auch noch anderes Fleisch rein.“ Vom Rind und vom Pferd vielleicht.

Nahebei Hannover habe ich mal was an die Innenseite eines Hochstands an die Wand geschrieben, genau über der Schießschachte, zu sehen in diesem Video ab 3:59)

Ich will über die ungezügelte Mordlust der leidenschaftlichen Jäger nicht richten. Mir fällt aber eine Liedzeile von Peter Fox ein. Er singt: „Gott hat einen harten linken Haken“, und Gottes harter Schlag hat den Jäger so erwischte, dass seine rechte Hand steif blieb. Er kann seit fünf Wochen die Finger nicht krümmen, also auch keinen Abzug betätigen. Wäre ja mal ein Grund, über die wüste Schieß- und Erschießlust nachzudenken, denn eine Atheist ist unser Jäger nicht. Sein Gott hat offenbar die besseren Waffen und bestimmt, wer „Schäden“ macht.

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3 Kommentare zu Waidmannsheil! Gottes linker Haken kann auch schaden

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