Wir alle werden mit Uli Hoeneß am Nasenring rundgeführt


Warum Uli Hoeneß
gerade jetzt als „Steuersünder“ gebrandmarkt wurde, obwohl die Finanz- und Justizbehörden wie auch die politische Klasse in München und in Berlin doch schon eine Weile von seiner Steuerhinterziehung gewusst haben, wird vielleicht verständlich, wenn man sich anschaut, welches Thema denn zuvor die Medien beherrscht hat. Welches Thema ist groß genug, dass man, um es aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen, den populären Fußballmanager des FC Bayern, Uli Hoeneß, am Nasenring rundführen muss?

Wenn man aus der Perspektive des einfachen Fußballfans hinaufschaut, dann geht es bei Hoeneß um großes Geld. Aber das ist gewiss nur deshalb so, weil kaum einer von uns eine Vorstellung hat von dem ganz großen Geld weniger Superreichen. Für sie ist ein Mann wie Uli Hoeneß ein lächerlich kleiner Wicht, der eine Würstchenbude besitzt und ein bisschen an der Börse herumgezockt hat. Ein Freund von mir, der Einblick in das Geschehen in einem Fußballverein hatte, sagte einmal: „Von der Mentalität her kommen Fußballtrainer und Vereinspräsidenten direkt hinter Zuhältern.“ Und so sieht auch ein Mann wie Hoeneß von oben, von den ganz hohen Etagen aus. Er ist denen nicht mehr wert als ein x-beliebiger Zuhälter. Aber man hat Mitleid. Wenn er schon über die Klinge springen muss, um höhere Interessen zu schützen, dann will man ihn doch nicht ganz zu Fall bringen, sondern bietet die besten Mitmäuler auf, die, nachdem sich die anfängliche Empörung gelegt hat, nun alles daran setzen, das Vergehen des Uli Hoeneß klein zu reden. Dann heißt es in der Welt:

„Wir sind alle ein bisschen Hoeneß – Die Debatte über das Steuergebaren des Bayern-Präsidenten ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Denn sie unterschlägt, dass es in Deutschland immer noch Volkssport ist, den Fiskus zu umgehen.“

Damit ist die argumentative Marschrichtung vorgegeben. Das Muster dieser Argumentation ist simpel und funktioniert vermutlich so gut, weil es simpel ist. Wir kennen es schon aus der Finanzkrise. Im Jahr 2008 in einer Dezembernummer des SZ-Magazins über die Finanzkrise schrieb SZ-Autor Christian Nürnberger:

„Rendite wird gemacht, weil wir alle es wollen – es war unsere eigene Gier, die die Banken befeuert hat.“

Dieses vereinnahmende „wir“ klingt nach der Verteidigungsstrategie aus dem Kindergarten: Die anderen haben das auch gemacht, das machen doch alle. Es ist im Fall Hoeneß sogar plausibel, denn aus der Sicht von Friede Springer oder Liz Mohn besteht kaum ein Unterschied, ob einer das Finanzamt um Paarmarkfuffzig oder um fünf Millionen betrügt. Für sie sinds allemal kleine Summen.

Was aber ist das Thema, das durch den stiernackigen Bayernpräsidenten verdrängt werden soll, was ging durch die Medien, bevor sein Fall ruchbar wurde? Offshore Leaks, die Enthüllungen über die immensen Summen, die in Steueroasen gebunkert sind. Hier geht es offenbar um das ganz große Geld, um das dubiose und zum Teil kriminelle Finanzgebaren von Banken, weltweit operierender Unternehmen, Diktatoren und schwerreicher Privatpersonen aus dem so genannten Geldadel. Die Daten wurden erst Anfang April bekannt. Und jetzt, Ende April ist das Thema so gut wie durch, und alle schauen nur hin zum Würstchenverkäufer Hoeneß. Es ist bezeichnend, welche Personen die öffentliche Debatte eines Landes verändern können. Kleine Fische, die sich groß wähnen, wie einst Zumwinkel und jetzt Hoeneß. Das wusste schon Karl Kraus:

„Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht,
werfen selbst Zwerge lange Schatten.“

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