Die Thronverschwörung und ein Sieg der Kaisertreuen

Ein Beitrag zum Regalprojekt des Kollegen Shhhhh

In diesem Text geht es quasi um nichts. Um einen Buchstaben, der mal verschwinden sollte, aber nicht durfte, dann doch verschwand, aber auf geheimnisvolle Weise wieder bereitgestellt wurde. Man hört ihn beim Sprechen nicht, er zeigt weder Dehnung noch Schärfung an, sondern hat seit Jahrhunderten die ehrenvolle Aufgabe, gar nichts zu tun, lediglich besessen zu werden.

Im Jahr 1901, als unsere Rechtschreibung amtlich wurde, da wollte Konrad Duden die Wörter eindeutschend geschrieben sehen, die nicht mehr als Fremdwörter empfunden werden, unter anderem auch das aus dem Griechischen stammende Wort „Thron“ (griech. thrónos = Stuhl, Herrschersitz). Gegen die Schreibung „Tron“ aber verwahrte sich der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. Er wollte sich seinen Thron nicht schmälern lassen, denn was Kaiser einmal besitzen, wollen sie behalten, und sei es einen funktionslosen Buchstaben.

In meinem Bücherregal ist ein Regalboden in Augenhöhe dem aktuellen Rechtschreib-Duden und anderen Wörterbüchern vorbehalten. Dazwischen steht auch ein schmales Heft von 48 Seiten, das der Dudenverlag anlässlich der Wiener Orthographiekonferenz vom 22. bis 24. 11. 1994 herausgegeben hat. Es enthält die Beschlüsse der Konferenz im Vorgriff auf die folgende Orthographiereform.
Auf Seite 25 steht:
„Entsprechend können in einigen häufig gebrauchten Wörtern die Buchstabenverbindungen rh, th, gh durch r, t, g ersetzt werden (in Klammern die weiterhin zulässige bisherige Schreibung): Reuma (Rheuma), Tron (Thron), (…)“

Dieser zaghafte Anschlag auf den Thron wurde aber erfolgreich vereitelt. Die alternative Schreibung Tron ist nach der endgültigen Fassung der Reform nicht mehr zulässig.

Upps, wer hat hier interveniert? Wir haben doch gar keinen Kaiser mehr, der für seinen Arsch einen ordentlichen breiten Thron fordern könnte. Ich habe einen leisen Verdacht: Vor neun Jahren befragte die Rheinische Post Prominente zur Rechtschreibreform, unter anderem Franz Beckenbauer, den einzigen deutschen Kaiser seit Wilhelm II: Kaiser Franz soll gesagt haben: „Ich schreibe so, wie ich es gelernt habe. Mit knapp 60 stelle ich mich nicht mehr um. Wir haben in Deutschland andere Sorgen.“

Gibs zu, Beckenbauer! Das warst du doch!

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8 Kommentare zu Die Thronverschwörung und ein Sieg der Kaisertreuen

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