Ganz aus der Zeit gerutscht

Der von Trittenheim trat an meine Hütte und sagte, dass er meine Dienste benötige. Ich solle ihn auf einer Reise begleiten, deren Wichtigkeit er mir nur andeuten könne. Der Grund übersteige meinen Horizont. Zuerst weigerte ich mich. „Was habe ich über meinem Horizont zu suchen?“ Er jedoch ließ nicht locker, und als er mir Geld bot, griff ich zu. Er schien recht froh, und im Weggehen köpfte er im Übermut einen meiner tönernen Hausgötter, die ich zur Schadensabwehr vor meiner Tür aufgestellt hatte. Er hatte auch Coster angeheuert, und ich lernte Nebenmann kennen, der auf dem Rücken einen Folianten transportierte, dessen lederner Einband in Schulterriemen auslief.

Dann fanden wir uns in der Residenz des Bischofs von Maastricht. Während Trittenheim mit dem Bischof verhandelte, warteten Coster, Nebenmann und ich in der Bibliothek. Ein junger Priester bewachte uns und sah uns auf die Finger, wenn wir ein Buch berührten, als wären es seine papierenen Augäpfel. Coster war es nur um die Bilder zu tun. Er blätterte in einem Buch, darin welche beim Fickeren zu sehen. Auf den meisten Bildern sah man der Nackten Einzelteile. Coster erklärte mir, dass man die Darstellung der Einzelteile ‚Bildausschnitt’ nennt. Da war ich froh, dass man nur die Bilder und nicht die Teile abgeschnitten hatte.

Unter all den rätselhaften Texten fand ich ein Buch, worin die Geschichten der Alten erzählt wurden, und ich blätterte lange darin, denn hier war einiges in den Buchstaben gespeichert, wovon schon die Alten berichten: Wie die Leute aus dem fernen Neuiork den heiligen John Lennon töteten und wie ihre Stadt zur Strafe in die Wolken versetzt wurde, weshalb man ihre Häuser „Wolkenkratzer“ nannte. Auch las ich vom Teufelsbündler Eibiem Ziese, der das schreckliche Ungeheuer schuf, das die Teutschen verhüllend „Rechner“ benamsen und dessen wahrer Name nicht mehr genannt werden darf. Zuletzt las ich von jenem Kraut von Oggersheim, der den russischen Riesenbären zähmte, ihn später jedoch nicht mehr ernähren wollte, so dass dieser in die poInischen Lande einfiel und hunderttausend Jungfrauen fraß.

Die Sonne stand schon bei Mittag, als wir wieder zum Bischof gerufen wurden, wo wir den Trittenheim lächelnd fanden, denn er war mit dem Bischof handelseinig geworden. Wir mussten ihm zum Abschied den Ring aus Widerständen küssen, von denen jeder mindestens 200 Ohm hatte.

Als sich die Türflügel seines Empfangszimmers hinter uns schlossen, wiesen wir übereinstimmend die Ableitgeste wider den Bischof, denn wir waren sicher, dass er uns verfluchen würde, diese hinterhältige Unke.

»Jank selfs nom Düvel!“, sagte Nebenmann.
Das ist: „Geh selber zum Teufel!“

Wie wir auf den großen Vorplatz traten, an den sich der Marktplatz anschließt, sahen wir dort Leute stehen und aufgeregt auf das Dach des Bischofssitzes zeigen.

Stell dir vor, du bist einer aus Maastricht. Du stehst zufällig mit anderen auf dem Vrijthoof und hast gerade die Maulsperre, weil auf dem Dach des Bischofsitzes „de machin gaat“. Die Dillegraphmaschin zappelt eine Nachricht zum St.-Pieters-Berg hinüber. Das ist immer eine Sensation.

„Kijk!“ rufst du, „St. Pieter geeft antwoord!“

In der Menge siehst du vier merkwürdige Vögel, Ausländer von der Mosel, wie man munkelt. Sie starren wie ihr zum Dillegraph hinauf. Du wunderst dich, dass die großen Signalblätter um diese Tageszeit zappeln. Das ist ungewöhnlich. Es muss etwas Besonderes vorgefallen sein.

Später wird dein Eidam dir alles erzählen. Er sitzt als Kopist beim Bisschop im Skriptorium und schreibt die Bücher ab. Des Bischofs heilig Boeken sind vom Papierfraß bedroht, denn sie stammen aus Tijden, als man noch trukken durfte und lange bevor die Kalkulatoren verboden wurden, den die Duitsers „Rechner“ noemen und dessen wahrer Name nirgendwo mehr genoemt werden darf. Konradus Zuse hieß der Duivelsbondselar, der den Rechner erfunden hat. Er noemde sein Duivelswerk „Z1“. William Window war Zuses Bondsgenoot. Mit „Window“, und „Zuse“ verschrikkt ihr eure Kinderen, wenn sie nicht gehorchen.

Ach ja, die seltsamen Ausländer, vreemde Mannen – die hebben toch inderdaat den Bisschop van Maastricht bestohlen! Eine Kostbarkeit aus seiner Bibliotheek haben sie mitgehen lassen. Dit maak je boos en je hoopt, dass die Häscher des Bischofs die Übeltäter bringen.Man darf ihm nie trauen, dem ausländischen Volk, besonders nicht den Duitsers. Sie leben im Elend, und wer im Elend lebt, kennt keine Art.

Instrumentelles Husten
»De maschin gaat, de maschin gaat!», riefen sie einander zu, und immer mehr Volk versammelte sich und wandte den Blick dem Dache zu. Wir traten verwundert vor, bis wir eine seltsam zappelnde Vorrichtung auf dem höchsten Punkt des Daches sehen konnten. An einem hohen Mast waren sechs Flügel befestigt, drei auf jeder Seite, die im rascher Wechsel ihre Stellung veränderten, gleich den Armen und Beinen eines Hampelmanns, jedoch unregelmäßig, so dass mal sechs, mal fünf oder vier, aber auch nur ein Arm oder Bein zu sehen waren.

Das ganze dauerte etwa fünf AVE MADONNA lang, während alle auf dem Vorplatz gebannt nach oben schauten.

Plötzlich rief einer: „Kijk, kijk! St. Pieter geeft antwoord!“

Und die Hälse reckten sich nach einem Hügel im Süden hin. Dort sahen wir eine ebensolche ‚maschin’, mausklein zwar, doch wir konnten erkennen, dass sie ihrerseits an zu zappeln fing.

„Ein Dillegraph“, sagte Nebenmann, als wäre er gerade erst zu dem Beschluss gekommen.

Wir waren ratlos, was das bedeuten sollte. Da tat sich plötzlich eine Seitenpforte auf und hervor kam mit geraffter Kutte eilends der Sekretär des Bischofs. Als er uns sah, schlug er einen Haken, um nicht an uns vorbei zu müssen. Nebenmann rief ihn an, und als der Sekretär nicht antwortete, sprang Nebenmann hinzu und griff ihn beim Kragen.

„Was war das für ein Thiater auf dem Dach des Bischofs, Vater Clermont? Ist das etwa so ein Dillegraph, wie ihn der französische Herr Kappes erfunden hat?!“

„Würdet Ihr die Hand aus meinem Kragen nehmen, Herr!“

Nebenmann wurde verlegen und indem er sich räusperte, ließ er den Kragen los.

„Das ist in der Tat ein Dillegraph“, sagte der Sekretär, indem er seine Kutte zusammenzog. „Er befördert Nachrichten von hier nach dort, schneller als die Taube fliegt. Wir reichen mit unserem Arm bis zum fernen Paris hin.“

Wir waren sprachlos vor Staunen. Der von Trittenheim fasste sich und sagte: „Dann verratet uns, welche Botschaft habt ihr eben zum Berg hin gezappelt?“

„Wir haben die Uhren gestellt“, sagte der Sekretär scheinheilig und eilte davon.

Da ahnten wir, dass unser Rückweg nicht sicher war.

Weißt du, wie man in einer stillen Bibliothek unbemerkt eine Seite aus einem Buch reißt? Klar, man schaut sich um, ob niemand guckt, und im richtigen Augenblick hustet und reißt man gleichzeitig. Solche Halunkenstreiche beherrscht Coster wie kein zweiter.

Der Trittenheim trieb uns zur Eile an. Er wollte das Land des Bischofs so schnell wie möglich verlassen und rief: „Coster, komm heran! Was trödelst du? Und warum kickst du dauernd unter deinen Brustlatz?“

Wir blieben auf der Stelle stehen, denn der Coster wurde blass. Seine Finger zitterten und seine Lippen bebten. Da spuckte ich dreimal auf unsren Pfad. Schon beim Bischof hat der Coster so seltsam gehustet. Bestimmt war das teuflische Fieber in ihn gefahren.

„Sauaas!“, rief Nebenmann, obwohl der Trittenheim es ihm verboten hat, weil’s die verhüllende Weis ist, den Gottseibeiuns anzurufen. Nebenmann hatte dem Coster hintern Brustlatz gelugt, und ich wies die Ableitgeste, denn ich dachte, Nebenmann kriegt rote Ohren, weil er den Sauaas gerufen hat.

Da riss der Trittenheim dem Coster den Brustlatz auf den haarigen Bauch. Ein Blatt fiel herab und schwebte mir vor die Füß.

Mir fuhr es heiß in den Sack. Ich sah der Weibsen Gewoge! Und zwei pralle Dödel. Nackte Leut beim Fickeren. Und …

„Wo hast du das her!“, schrie der Trittenheim. „Du notgeiler Bock, du übler Gesell!“

„Aus der Bibliothek des Bischofs!“, rief Nebenmann. „Das heilge Buch mit Bildern, wie ich nie zuvor gesehen. Da ist kein Maler in der bewohnten Welt, der so etwas malen kann!“

Scharfe Tanten und ihre strapsgeilen Neffen

Trittenheim grabschte mir das Blatt aus den Fingern und hielt es dem Coster unter die Nase. Der Coster rollte mit den Augen und wollt es nicht gewesen sein. Trittenheim fuchtelte mit dem Gewoge, und dann stopfte ers in seine Hos wie ein Sacktuch.

„Wir sprechen uns noch, Coster!“, rief er, und: „Auf, auf, wir müssen weiter. Jetzt weiß ich, dass der Bischof von Maastricht uns nicht auskommen lässt!“

Das war der Grund, warum wir nicht länger die Maas hinauf konnten. Da war ein rostger Pfad aus Eisen, der führte auf ein Mundloch zu. Ich konnte grad noch „Rappsraifessangai!“ rufen, da hatte der Trittenheim uns schon hineingetrieben, und das finstre Maul verschlang uns.

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