Wie ich beinahe versehentlich gestorben wäre (3) – Infarkt

Nicht alle Tage ruft ein Arzt: „Scheiße!“, wenn er sich mein EKG ansieht.
Ich frage: „Was meinen Sie damit?“
„Jetzt ist es passiert!“, sagt er. „Sie müssen sofort ins Krankenhaus!“

Dann lässt er mich nicht mehr aus den Augen, ist ständig neben mir, reicht mir seinen Arm, wenn ich nur einen Schritt gehe und fühlt unentwegt meinen Puls. Erneut wird ein Rettungswagen herbeitelefoniert, und an der Tatsache, dass mein Hausarzt mit in den Rettungswagen steigt, kann ich den Ernst meiner Lage ablesen. Tage zuvor, als ich mit ähnlich starken Armschmerzen in der Notaufnahme vom Henriettenstift gewesen war, da hatte mir eine Ärztin noch gesagt, die Schmerzen kämen von meiner Wirbelsäule, und ich war beruhigt nach Hause gefahren und hatte mir einen Termin bei Orthopäden geben lassen. Jetzt habe ich offenbar eine Scheißdiagnose und muss eingestehen, dass ich diese Eskalation versehentlich selbst verursacht habe, und zwar wegen dieser Notiz:


Nach der Geschichte mit meiner blutenden Nase hatte ich nämlich Angst vor einer Katheteruntersuchung, fürchtete, ich könnte dabei verbluten, und daher hatte ich mir ersatzweise einen Termin für eine unblutige Ct–Untersuchung geben lassen. Man hatte mir einen Zettel mit Verhaltensmaßregeln gegeben, worauf stand, ich solle drei Tage vor der Untersuchung die Betablocker absetzen. Zwar nahm ich zu diesem Zeitpunkt gar keine Betablocker, sondern ein anderes Medikament zur Blutdruckabsenkung, dachte aber, man habe sich nur vertan und setzte das Medikament ab. Mein Blutdruck war demnach ins Astronomische gestiegen, himmelan, und drohte mich mitzuziehen.

In der Notaufnahme des Siloah-Krankenhauses, wo mich Feuerwehr und Hausarzt abliefern, geht es mir sogleich wieder gut. Sowohl die diensthabende Ärztin als auch die bezaubernde Krankenschwester erscheinen mir wie engelhafte Wesen. Nie hätte ich aber gedacht, dass der Vorhimmel so hässlich ist, dass man dort an Apparate angeschlossen wird, die irgendwelche Daten und Werte aufzeichnen, die dem verkabelten Körper abgenommen werden. Zum Ausgleich werden mir über einen Zugang Medikamente in die Armvene eingespeist. Das hier könnte natürlich auch die Vorhölle sein, denke ich, aber zum Glück hat der Vatikan die Vorhölle vor wenigen Jahren abgeschafft. Ich bin also durch Engel des Vorhimmels ans Bett gefesselt und ihrem Wirken ausgeliefert. Man hat mir die Verfügungsgewalt über meinen Körper abgenommen wie einer Mutter, die ihr Kind vernachlässigt hat.

Wenn ich hoch schaue, kann ich den Monitor sehen, auf dem meine wichtigsten Lebensfunktionen grafisch dargestellt werden. Eine Weile piepst er gleichmäßig. Doch kaum habe ich mir von der Krankenschwester erklären lassen, was die Kurven auf dem Monitor bedeuten, kaum hat sie mich wieder mit dem eintönigen Piepsen allein gelassen, zack, fallen alle meine Lebensfunktionen aus. Der Monitor schreit Alarm, von überall kommt man herbei gerannt und findet mich mit verdrehtem Kopf und offenem Mund die drei toten Linien anstaunen, die der Monitor nur noch zeigen kann. Das Sterben hätte ich mir ehrlich gesagt ein bisschen spektakulärer vorgestellt, denn ich habe überhaupt nichts gemerkt, und wenn die Überwachungsgeräte nicht meinen Tod anzeigen würden, wäre ich meiner Meinung nach quicklebendig.

Man stellt fest, dass ich noch lebe, nur ein wichtiges Übertragungskabel sich gelöst hat und stöpselt mich erleichtert wieder an. „Ich hätte fast einen Herzinfarkt gekriegt!“ sage ich vorwurfsvoll. Die Ärztin lächelt mitleidig, denn inzwischen ist mein Blut untersucht und sicher, dass ich sowieso einen habe.

Fortsetzung

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