Null Nachrichten aus der Teppichhausredaktion

In meinem Kopf wird vermutlich gerade umgebaut. Seit Tagen habe ich das Gefühl, es geht da gar nicht voran. Ich inspiziere natürlich nicht andauernd. Es könnte sein, dass die Arbeiter in der Nacht sogar fleißig werden. Wenn ich tagsüber nachgucke, dann passiert gar nichts. Da steht ein Rohbau, aber wie es scheint, sind die Leitungen noch nicht gelegt. Während das Teppichhandels-Unternehmen inwendig umgebaut wird, ist neue Ware natürlich nicht zu bekommen, nur ein bisschen Geplauder. Eigentlich hätte ich auch „inwändig“ schreiben können, denn der Umbau passiert ja innerhalb der Wände. „Wendig“ und „Wand“ haben sowieso mit „winden“ die gleiche Wortwurzel. Die Wände unserer Vorfahren wurden nämlich aus Zweigen geflochten. Wer behände/behende eine neue Wand winden konnte, der war wändig/wendig. Die Bedeutung ist heute noch im windigen Vertreter spürbar. Da ist das Wort abgesunken.

Letztens bekam ich eine Wortpatenschaft geschenkt, mitsamt Urkunde. Ab jetzt bin ich für alle Zeiten für das Wort „Teppichhändler“ verantwortlich. Das passt, da ich erwiesener Maßen ein bis drei digitale Teppichhäuser besitze. Vorerst brauche ich als Pate nichts zu tun. Nur wenn das Wort „Teppichhändler“ zu straucheln beginnt, wenn es die Unschuld verliert, auf die schiefe Bahn gerät, in der Gosse zu landen droht, dann … ja, dann. Was mache ich dann als Pate? Sprachpflege ist eigentlich vergebliche Liebesmüh. Wenn ein Wort absinkt, dann entspricht das dem Empfinden vieler Menschen. Am Beispiel von „Banker“ kann man die Bedeutungsverschiebung aktuell miterleben. Wenn sich dir heute jemand vorstellt und sagt: „Ich bin Banker“, dann denkt doch jeder anständige Mensch gleich: „Du Gauner!“ Nicht das Wort hat sich beschmutzt, sondern der Inhalt, also der Banker selbst hat sich erniedrigt. Dann kann man als Pate noch soviel am Wort rumpolieren. Das hilft nicht oder macht es schlimmer. Ein geschniegelter Banker wirkt noch abstoßender.

Für das WortBanker“ würde ich nie die Patenschaft übernehmen. Wer wollte denn den erbärmlichen Niedergang des eigenen Patenkinds erleben? „Politiker“ ist ebenso in Gefahr. Letztens wurde ein Fußballfan im TV befragt, ob er die Gehälter der Politiker zu hoch finde. „Ja, sagte er, „viel zu hoch.“ „Aber die Fußballspieler verdienen das 100-fache“, wandte der Reporter ein. „Das ist schon O.K.“ Reporter: „Soll Merkel weniger verdienen, weil sie keine Tore schießt?“ „Genau“, sagt der Mann prompt. Vermutlich wurde sein Kopf schon vor langer Zeit umgebaut und nie renoviert, nicht mal im Frühjahr. Eben habe ich die ganze Zeit da gesessen und mich ab und an ganz leis gefragt, warum fühlst du dich so unbehaglich? Also eigentlich habe ich mich kaum gefragt, erst als ich den Grund fühlte, da wusste ich: Mir ist schon seit Stunden zu kalt. War wohl wieder Seenebel aus Norden hereingekrochen ins Land. Ich brauchte eine Jacke. Bin ich froh, wenn die Leitungen erneuert sind in meinem Kopf und alles so recht verdrahtet, damit ich in Zukunft nicht so lange frieren muss.

„Finger weg von MEINEM guten Teppichhändler!“ (Der Pate*)

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