Der Lenz bringt kackfreche Werbemails

Ein seltsamer Ton hat Einzug gehalten in Werbemails, so kumpelhaft, plump vertraulich, so unverschämt. Drei Beispiele aus diesen Tagen zeigen: König Kunde wird nicht mehr ernst genommen. Man lacht hinter seinem Rücken, nimmt ihn überhaupt nicht mehr für voll. Früher war König Kunde eine anonyme Größe. Er ging stolz daher, war unnahbar und wählerisch. Jetzt ist er gewöhnlich geworden; die Krämerseelen und Ladenschwengel wanzen sich dreist an ihn ran, kennen seinen Namen und wissen, was er im letzen Sommer gemacht hat. Kann man so einen gläsernen Menschen noch König nennen und ihm die nötige Achtung erweisen? Offenbar nicht …

Der Madsack Verlag schreibt:

Lieber Herr van der Ley,
zu Ostern haben wir wieder ein ganz besonderes Angebot für Sie: Lesen Sie 3 Wochen die Hannoversche Allgemeine Zeitung für nur 5 €! Als Dankeschön erhalten Sie einen Einkaufsgutschein von Rossmann im Wert von 5 €. Also eiern Sie nicht rum, bestellen Sie jetzt!

Was ist denn rumeiern? Ich hab mich noch nie entscheiden können, das zu machen. Wie kommen die Werbefritzen und –tussis vom Madsack Verlag nur auf rumeiern? Macht man das zu Ostern? Sich die ganzen Ostertage nicht entscheiden können, ein Ei zu essen? Und ist man fertig mit rumeiern, ist Ostern vorbei? Eine blöde Unterstellung ist es außerdem. Würde ich rumeiern, dann müsste ich mich seit Wochen fragen, ob ich nun die HAZ bestellen sollte oder nicht. Aber die Wahrheit ist, ich habe überhaupt nicht daran gedacht, die HAZ zu lesen. Dann soll ich auch noch bei Rossmann rumeiern. Das könnt ihr machen.

Ziemlich unverschämt, so jugendlich schnoddrig, kommt mir Lieferando:

„Hast Dich gut gehalten, für Deine 56 Jahre. Dir zu Ehren verlosen wir Barbies, die es so nirgendwo zu kaufen gibt! Komm jetzt in unsere pink-rote Barbierando-Welt und nimm am Gewinnspiel teil!“

… und hat überhaupt keine Ahnung von mir. Ob ich mich gut gehalten habe oder nicht, entscheide ich noch immer selbst und frage nicht etwa den Pizzaboten. Aber eines ist sicher: So gut gehalten habe ich mich keinesfalls, als dass ich noch mit Barbies spielen würde. Es ziemt sich einfach nicht für einen Mann im meinem Alter. Bitte nicht mir zu Ehren Barbies verlosen! Das schadet meinem guten Ruf. Und wenn ich überhaupt jemals in einer pink-roten Barbiewelt sein wollte, würde ich nicht zum Türken oder Inder gehen, sondern zu Poco und ließe mich von der durchgekallten Katzenberger zumüllen. Also eigentlich eher nicht, ihr Heinis von Lieferando.

Die Ibis-Hotelkette
wird direkt in der Betreffzeile kackfrech und aufdringlich:

„Hallo aufwachen. Fruehlingsfrische Staedtetrips“

„Was? ‚Aufwachen’? Aber warum denn? Uaaah! Und was bitte sind Fruehlingsstaedte Frischetips? Die brauche ich nicht. Hallooo? Schon mal was von Frühjahrsmüdigkeit gehört, ihr Trollos?“

Über weitere Beispiele solcher Werbemails freue ich mich sehr, meine lieben Damen und Herren.

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