Vom Nachlass der Hunde – Tretet dAdA rein!

Gestern saß ich am Fluss, bis die Sonne hinter den Dächern der Stadt versank. Die Leine hatte Rückenwind, strömte eilig dahin, und ihr Wasser schien mir nasser als sonst zu sein, weil es viele kleine Wellen schlug. Lebhaft leckte es mit frechen Zungen die Ufer ab. So ein Fluss ist wie ein Organismus. Kurz versuchte ich mich hineinzudenken, wie das wäre, Wasser der Leine zu sein und ungestüm am Ufer zu lecken, um Platz zu machen für mich. Aber der Übermut verging mir bald, als nämlich über die Uferwiese ein Mann mit drei räudigen Hunden daherkam. Der Hundebesitzer hatte die Hunde hinter sich gelassen, wandte ihnen gleichgültig den Rücken zu, und sah folglich nicht, was ich sehen musste. Nacheinander hockten die Köter sich nah am Ufer hin. Gegen die untergehende Sonne sah ich im Schattenriss das unsagbar hässliche Profil kackender Hunde. Das versaute mir nachhaltig die romantischen Ideen in der vorfrühlingshaften Idylle.

Kurt Schwitters ist daran schuld mit seiner jedem Hannoveraner bekannten Forderung: „Hunde bitte an die Leine zu führen.“ Als ich noch in Aachen lebte, hatte ich immer gedacht, die falsche Grammatik des Satzes wäre der schwitterschen Lust am Sprachspiel geschuldet. Aber nein, er hat das ganz konkret gemeint, und Hannovers Hundebesitzer halten sich daran. Denn die Forderung ist der letzte Satz seines Textes „Hannover“, den hier jedes Kind schon in der Grundschule kennen lernt. Und haben sie später Hunde, dann führen sie die ganz selbstverständlich an die Leine. Warum wohl? „Was wollte uns der Autor damit sagen?“ So werden durch unsere großen Dichter die Kinder schon verdorben. Ob wenigstens das eine oder andere Gräslein, in dem sich grad das Wachstum regt, sich freudig dem Kote entgegenreckt? Kaum zu glauben, denn das Gras der Uferwiesen ist längst schon von alleine gewachsen, bevor Kurt Schwitters den verderblichen Satz niedergeschrieben hat.

Wer macht das wieder sauber? Die Leine mag sich zu helfen wissen, denn Wasser ist bekanntlich selbstreinigend. Wer aber wischt in meinem Text hinterher, leitet die sagenhaften Flüsse Alpheios und Peneios durch die Kacke wie einst Herakles durch den Riesensaustall des Augias? Mir scheint das unmöglich. Hässliche Vorstellungen wird man so rasch nicht wieder los. Mein Text ist für immer verschmutzt.

Vielleicht hilft ein Themawechsel? Heute Morgen beim Aufwachen dachte ich, mein junger Freund S. hätte erzählt, die Auszubildenden des Grünflächenamtes müssten die Namen aller städtischen Grünanlagen auswendig lernen. Das wäre der Hauptteil ihrer Ausbildung. Dann schreibe ich säuberlich ins Berichtsheft:

Die Parkanlagen Hannovers
Alte Bult
Berggarten
Eilenriede (Stadtwald)
Expopark
Georgengarten
Großer Garten
Hermann-Löns-Park
Hinüberscher Garten
Maschpark
Stadtpark
Welfengarten,

und schon hätte ich die Gesellenprüfung bestanden.

Aber ich weiß nicht, ob ich dem Mann trauen kann. Erst letztens hatte ich Schmerzen am Daumen, mit dem ich die Leertaste anschlage. Da versuchte er mir am Biertisch einzureden, ich hätte eine Nagelbettentzündung, obwohl nichts davon zu sehen war. Tags darauf war der Schmerz wieder weg, ist nur der Tatsache geschuldet, dass ich mit Nachdruck so leere Texte schreibe mit Hunderten, ja, Tausenden Leerzeichen. Als ich ihm gestern meinen heilen Daumen zeigte, da gestand er mir, er habe einem Freund, der jetzt nach Stuttgart umgezogen ist, in einer E-Mail ebenfalls suggeriert, der habe eine Nagelbettentzündung. In Stuttgart! Per Ferndiagnose an den Fingernagel geschrieben. Ich glaube, ich muss mich von S. fernhalten.

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