Hallo, Sie haben gepiept – Verräterische RFID-Chips

„Hallo, kommen Sie noch mal zurück! Sie haben gepiept“, rief die Verkäuferin im Drogeriemarkt Rossmann. Unverschämtheit, nicht ich, sondern das rossmannsche Türalarmsystem hatte gepiept. Das hatte ich sehr wohl gehört, aber nicht auf mich bezogen, denn ich war nicht auf dem Weg hinaus, sondern hinein. Und schon befand ich mich mittendrin in einer peinlichen Situation. Die Leute in der Kassenschlange vergaßen nämlich, sich zu langweilen und gafften amüsiert zu mir herüber, derweil die Verkäuferin sich neben mir aufbaute und versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen.

„Halten Sie mal Ihren Rucksack in die Sperre!“, befahl sie. Das tat ich, ohne Ergebnis, denn er war noch leer. „Haben Sie vielleicht etwas Neues an?“, wollte die im Rossmannkittel wissen. „Ja, die Jacke“, log ich, denn darunter hatte ich auch noch eine neue Kapuzenjacke. Aber das geht doch Rossmann und seine Kunden nichts an. Ich zog die Jacke aus und hielt sie in die Sperre. „Komisch“, sagte sie, die piept nicht. Inzwischen war mir klar, dass die Kapuzenjacke das Piepen ausgelöst hatte. Gewiss war noch ein aktiver RFID-Chip drin. Diese verräterischen Chips sind zur Warensicherung und -verfolgung eingenäht. Die Warensicherung wird normalerweise beim Kauf deaktiviert. RFID-Chips senden ein Funksignal, das mit einem Empfangsgerät ausgelesen werden kann.

Angenommen, du zahlst ein solches Teil mit deiner Scheckkarte. Dann wird die Jacke personalisiert, und hinfort können all deine Bewegungen nachvollzogen werden, wann immer du die Jacke trägst. Denn Empfangsgeräte stehen in großer Zahl im öffentlichen Raum, beispielsweise an Ein- und Durchgängen. Wer alles Zugriff auf diese Bewegungsdaten hat, ist unwägbar. Facebook könnte sie gut gebrauchen und dann auf der Timeline vermerken: Mittwoch, 15. Februar 2012, um 13:40 Uhr betrat Jules van der Ley den Rossmann-Drogeriemarkt am Schwarzen Bär in Hannover und löste einen Alarm aus.

Ich habe den Plapperchip gefunden, er war versteckt eingenäht hinter dem Textilpflege-Etikett, versehen mit dem Hinweis, man solle ihn nach dem Kauf entfernen, was aber nur mit einer Schere oder mit grober Gewalt geht. Der Bielefelder Datenschutzverein Voebud.eV verlangt seit Jahren die physische Entfernung der RFID-Chips an der Kasse. Aber dann dürften die Chips nicht versteckt eingenäht sein, und die Label müssten eine Perforation zum Herausreißen haben. Der Verein hat eine interessante Internetseite zum Thema RFID und der Modemarke Peuterey im letzten Jahr den Big-Brother-Award verliehen, weil sie die RFID-Chips in ihren Kleidungsartikeln versteckt, von wo sie noch jahrelang senden. Das alles ist beunruhigend, wenngleich mein RFID-Erlebnis durchaus etwas Komisches hatte. Nach dem Bezahlen warnte ich die Kassiererin: „Wenn ich den Laden verlasse, dann piept es wieder, aber lieber hätte ich eine Fanfare und ein ‚Dankeschön für Ihren Einkauf!‘ “

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