Christian Wulff und ich lassen einpacken

Meine Gesichtshaut spannte. Ich hatte vergessen, Rasierwasser drauf zu tun. Also ging ich ins Bad, stand eine Weile rum, ging wieder hinaus, und nach wieder einer Weile wunderte ich mich, dass meine Gesichtshaut spannte. Also ging ich ins Bad und tat Rasierwasser drauf. Ich hätte das schon beim ersten Mal tun können, aber da hatte ich vergessen, warum ich ins Bad gegangen war. Denn auf dem Weg ins Bad hatte ich spekuliert, wie Christian Wulff wohl Weihnachten verbringen wird.

Sein Berliner Amtssitz Schloss Bellevue ist zu ungemütlich, weil er von der Hauptstadtjournaille belagert wird. Die Weihnachtsansprache ist längst aufgezeichnet worden. Da können jetzt die Exegeten reinorakeln, was sie wollen, Bundespräsident Christian Wulff hat es hinter sich. Das Geschenkpaket von Bettina Wulffs ehemaligem Arbeitgeber Rossmann hat er wohl zurückgehen lassen, denn die Kosmetika überschreiten den Marktwert von 10 Euro. Auch der Kurzurlaub in Carsten Maschmeyers Anwesen ist in die hochkochende Jauche gefallen. Bettina wird sich bei den Eltern in Burgwedel über das entgangene Rossmann-Paket ausweinen wollen, also verbringen die Wulffs die unfrohen Weihnachtstage in ihrem Burgwedeler Eigenheim, in diesem hin und her finanzierten Haus, das noch farbloser ist als Wulff, und das will was heißen.

Es war, glaube
ich, im Jahr 2007 am Heiligabend vormittags bei Kaufhof Galeria Hannover. Ich stand im Kellergeschoss in der Schlange vor dem Einpackservice. Plötzlich tritt jemand von hinten heran und grüßt freundlich näselnd in die Runde. Da dachte ich, die Stimme kenne ich doch aus dem Fernsehen, die gehört einem mit furchtbar großen Polypen in der Nase, nämlich Christian Wulff. Hab mich kurz umgesehen, er war’s tatsächlich. Zurückgegrüßt habe ich nicht, das wollte mir nicht über die Lippen. Damals lebte ich noch in Aachen. Was hatte ich als Rheinländer mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen am Hut, der sich beruflich an potentielle Wähler ranwanzen muss. Zudem hatte ich die anderen in der Schlange auch nicht gegrüßt, denn Leute, die vor einem in der Schlange stehen, grüßt man als ehrlicher Mensch nicht, sondern wünscht sie zum Teufel.

Aber gedacht habe
ich, siehe da, in dessen Leben muss auch einiges durcheinander sein, wenn er am Heiligabend morgen vor dem Kaufhof-Einpackservice ansteht, genau wie ich. Im Jahr darauf trennte sich Wulff von seiner Frau Christina, bekannte sich zu Bettina, und „Christian musste sein Leben neu ordnen“, hat Hausfinanzierer Geerkens kürzlich der BILD erzählt. Heute bin ich froh, dass Geerkens mir nicht geholfen hat, mein Leben neu zu ordnen, denn so bin ich als potentieller Bundespräsident unbelastet. Unsereiner muss ja alles allein schaffen, kann sich deshalb aber auch leisten, sinnlos im Bad herumzustehen und braucht sich nicht bei Maschmeyer zu bedanken, wenn man sein Bad mit den goldenen Wasserhähnen benutzen oder die gespannte Gesichtshaut mit Maschmeyers Rasierwasser betupfen will. Vor seinem Geschenkeinpackservice hätten mir überhaupt schon viel zu viele angestanden, in deren Leben eine Unordnung ist, schäbiger als bei Hempels unterm Sofa.

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