Über Flüssigkeiten – und warum ich Schmutz trinken musste

Kleine Abendunterhaltung

Gestern Abend sind Blogfreund Shhhhh und ich durch drei Kneipen geirrt, und erst in der vierten blieben wir eine Weile. Wir hatten zuerst eine Kneipe vorgefunden, die in Gänze derart rauchgeschwängert war, dass die Besucher bestimmt gedacht haben, das Fußballspiel auf dem Großbildschirm über der Theke fände im Nebel statt. In unserer Stammkneipe war der Raucherraum durch eine geschlossene Weihnachtsfeier-Gesellschaft blockiert gewesen, in der dritten ebenso, und so betraten wir ein Lokal auf der Limmerstraße, in dem auch S. noch nie gewesen war. Das Fassbierangebot war allerdings dürftig, so dass S. ein Krefelder Bier bestellte. Ich hatte noch nie von diesem Bier gehört, und eine innere Stimme warnte, aus Krefeld (von vermutlich Krähenfeld), dieser Unstadt am Niederrhein, kann doch nichts Anständiges kommen. Aber wie so oft habe ich meine innere Stimme ignoriert – und ebenfalls Krefelder bestellt.

Nachdem uns der Kellner die hohen Gläser gebracht hatte, lachte dieser Halunke, juxte rum und sagte: „Das ist Colabier!“ Colabier? Ich dachte, nur die Belgier dürften gesüßte Jauche ins Bier mixen und es auf Getränkekarten als Bier anpreisen. In Deutschland haben wir schließlich das Reinheitsgebot. Heute habe ich gelesen, dass Krefelder auch Schmutz, Drecksack oder Moorwasser genannt wird, leider zu spät. Wir haben das Moorwasser widerwillig getrunken, weil Bier drin gewesen sein wird, und das darf man nicht verkommen lassen, sonst gäbe es am nächsten Tag garantiert schlechtes Wetter und die Sonne ginge schon um 16:00 Uhr unter. Irgendwas stimmte aber nicht, denn am Vormittag schien die Sonne, heute Nachmittag hat es geregnet, und um 16:00 Uhr war es so gut wie dunkel. Ob S. sein Krefelder heimlich in die Blumen gekippt hat?

Möglich wäre das, denn er lenkte mich mit einem faszinierenden Buch ab, das er antiquarisch erstanden hatte: Hans Bahlow; Deutschlands geographische Namenwelt – Etymologisches Lexikon der Fluß- und Ortsnamen alteuropäischer Herkunft. Darin zeigte er mir das Lemma „Nette“, weil er wohl dachte, der Geburtsort von Frau Nettesheim wäre nach dem Flüsslein Nette benannt. Dabei wusste er genau, wenn Nettesheim das Heim der Nette wäre, würde sie immer nur im Kreis um Nettesheim herum fließen, und die Nettesheimer müssten sie Tag und Nacht mit großen Paddeln rühren, damit sie ein Fließgewässer bleibt. Durch Nettesheim fließt aus eigenem Antrieb der oder die (landschaftlich) Gillbach. Die Nette hingegen entspringt in der Eifel und durchfließt die Orte Arft, Riedener Mühlen, Bürresheim, Mayen, Trimbs, Welling, Polch, Ruitsch, Ochtendung, Plaidt, Saffig, Andernach, bevor sie bei Weißenthurm in den Rhein mündet. Wie mag es wohl zugehen in Polch, Ochtendung oder Saffig? Ob man da ebenso Schmutz beziehungsweise Moorwasser in die Blumen kippt und amüsiert beobachtet, wie der Ortsunkundige den Flüssigdung säuft?

Das war aber der
einzige dunkle Fleck unserer kleinen Weihnachtsfeier. Wir unterhielten uns angeregt über deutsche Grammatik (Hallo! Da gibt es nichts zu gähnen!), über Krähen, das Ypsilon als antikes Symbol für den freien Willen, und später, als ich schon ein bisschen Zungenlähmung hatte, versuchten wir den Unterschied zwischen Moderne, Postmoderne und Postpostmoderne zu bestimmen, was zum Glück keiner gehört hat.

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13 Kommentare zu Über Flüssigkeiten – und warum ich Schmutz trinken musste

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