Über nasse Polster, Handwerker und ein Loch im Wasserkrug

Man möchte denken, es wäre an der Zeit, die Gartenstühle reinzuholen. Manche Leute holen jetzt die Gartenstühle rein, und manche mögen nach diesem nassen Sommer denken, das ist ja wie Coitus Interruptus. Aber da hätten sie ein unpassendes Bild gewählt, denn sie wollten den Sommer nie mit ihren Gartenstühlen ficken. Sie haben sich wollüstig darin herumfläzen wollen in diesen Gartenstühlen, die eigentlich Gartensessel sind oder Liegen mit weich gepolsterten Auflagen vom Discounter. Sie wollten sich vom Sommer bedienen lassen wie die Paschas. Aber der Sommer hat es stattdessen immer wieder auf die Polster regnen lassen, und man musste herauslaufen und die Polster sicherstellen. Tragisch, ja zum Heulen, ein richtiger Weinsommer war das mal wieder. Es gibt Länder, da steht den Leuten regelmäßig das Wasser bis zum Hals. Es gibt andere Länder, da laufen sie mit ihren Krügen auf dem Kopf 50 Kilometer weit zur nächsten Wasserstelle. Dagegen scheinen nasse Gartensesselauflagen ein geringes Problem zu sein.

Im ICE nach Hannover sitzt sich an einem Tisch ein Paar gegenüber. Er scheint Architekt zu sein, sie ist Hausbesitzerin, eigentlich Häuserbesitzerin. Da müssen Wohnungen renoviert werden, aber die Frau hat Probleme mit den Handwerkern, die einfach nicht die Termine einhalten. Und bummelt der eine, kann der andere nicht mit seinem Teil der Renovierung anfangen. Der Architekt gibt ihr Ratschläge, wie sie mit den Handwerkern zu reden hätte und welche Verträge sie mit den Handwerkern schließen müsste. „Du musst das machen!“, sagt sie. „Nein, das musst DU machen“, sagt er. „Ich will mich nicht mehr mit so einem kleinen Scheiß beschäftigen! Wenn ich tot bin, musst du auch allein damit klarkommen.“ Krank wirkt er nicht, er ist deutlich älter als die Frau und offenbar ein vorausschauender Mensch. Aber dann nimmt er einen Schreibblock und macht mit ihr einen Kalenderwochenplan für die Handwerksarbeiten bis März 2012. „Das muss gehen. Andere bauen in dieser Zeit ein ganzes Haus.“ Sie aber sagt fatalistisch: „Ja, gut! Wenn du mir nicht hilfst, dann kann ich einpacken. Ja, da kann ich wohl einpacken.“

Die Probleme dieser beiden ähneln dem Ärger über eine nasse Gartensesselauflage. Diesmal ist sie vielleicht vom Designer, aber beide Kümmernisse sind Nasse-Polster-Luxus-Probleme. Die meisten unter uns haben Nasse-Polster-Luxus-Probleme, gemessen an einem Wohnsitzlosen, dem eine harte Zeit droht, wenn die Nächte wieder eiskalt werden. Wenn du 50 Kilometer mit einem gefüllten Wasserkrug auf dem Kopf durch die vertrocknete Steppe nach Hause laufen müsstest, würdest du sogar einen Wohnsitzlosen im gelobten Deutschland beneiden. Der kann wenigstens den ganzen Tag auf der Bank sitzen, Bier trinken und hat vielleicht sogar eine Gartensesselpolsterauflage vom Sperrmüll.

Aber nasse Gartensesselpolster sind auch nicht schön, ebenso unschön die windigen Handwerker, die nie kommen, wann sie sollen. Wenn du jetzt schon 49 Kilometer mit deinem Wasserkrug auf dem Kopf durch Ödland gelaufen bist und irgendein Milizenheini schießt dir aus purer Lust ein Loch in den Krug, wäre dir natürlich lieber, der hätte sein Renovierungshandwerk einen Tag später erst angetreten.

„Wann kommen die marodierenden Milizen?“
„Die sind in der 5. KW 2012 dran. Vorher müssen die Cousins des Präsidenten mit den Vergewaltigungen der Dorfschönheiten fertig sein. Dann werden die Löcher in die Wasserkrüge geschossen, dann die Brände gelegt, und in der 7. KW ist das ganze Dorf fix und fertig, inklusive Gartenmöbeln.“
„Das schaffe ich nicht. Wenn du mir dabei nicht hilfst, dann kann ich einpacken.“
„Aber du musst, denn du kannst nicht anfangen, bevor die Penner da raus sind.“

Seneca zitiert den antiken Philosophen Bion. Der sage: „Gleich lästig ist es für solche mit Glatze wie für solche mit vollem Schopf, wenn ihnen Haare ausgerissen werden.“ Allerdings friert der eine sowieso schon am Kopf, der andere hat vielleicht ein Loch drin und eine zerbricht ihn sich. Wer ist besser dran?

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