Fass Knauf! – Einiges über die Hieroglyphik und das Rebus

Schon in der Antike war man fasziniert von den Hieroglyphen, und sie wurden noch verwendet, als ihre Kenntnis bereits versunken war. „Diodorus Siculus berichtet von den Siegessäulen des Sosostris in den eroberten Ländern, auf welchen er außer Inschriften in den sogenannten heiligen Schriftzügen der Ägypter bei den tapferen Völkern das männliche Glied darstellen ließ, bei weichlichen und feigen aber die weibliche Scham, um das Wesen der Unterworfenen zu kennzeichnen.“ (Volkmann, Bilderschriften der Renaissance, Leipzig 1923)

Aufgrund der Berichte antiker Schriftsteller (Plutarch, Horapollo u.a.) vermuteten die Humanisten der Renaissance in den Hieroglyphen die Darstellung der tiefsten Weisheiten, von den ägyptischen Priestern gleichsam als Abbilder göttlicher Ideen der Dinge dargestellt. Cesare Cesariano, der Vollender des Mailänder Doms, schrieb 1521: „Daher sind die genannten und dargestellten Rätsel für die Leser von größter Bedeutung, besonders da bei den Gelehrten diese Dinge in hoher Schätzung stehen, weil das göttliche Wort nicht allen Menschen so leicht verständlich sein soll. Und deshalb schrieben die Ägypter in solchen Dingen durch Hieroglyphen; wir sagen Chiffren oder Charaktere dafür (…), wie sie auch die Fürsten benutzen, um irgendein Geheimnis zu schreiben.“

Aus der Hieroglyphik, der Beschäftigung mit den ägyptischen Hieroglyphen, deren Entschlüsselung jedoch erst im Jahre 1822 dem Franzosen Jean-François Champollion gelang, und zwar mit Hilfe des polyglotten Steins von Rosetta, entwickelte sich in der Renaissance die Spielerei mit Bildern, genannt Rebus oder Dingbild. Dass man die Hieroglyphen in der Renaissance nicht entschlüsseln konnte, tat der Begeisterung für diese Bilderschrift keinen Abbruch. In der Folge schrieben einige Humanisten statt Buchstaben Dingbilder. Johann Gottfried Herder schreibt: „Häufig wollte man auch dem Auge darstellen, was ihm nicht darzustellen war, sinnreiche Gedanken und Gleichnisse, selbst Phrasen und Formeln der Rede, Sprichwörter, politische Maxime, und wenn diese nicht durch sich selbst verständlich waren, ward der Bilderwitz durch Sprachwitz erläutert.“

Ein Kreis und ein Anker, um den sich ein Delphin windet, versinnbildlichen den Wahlspruch des Augustus „SEMPER FESTINA LENTE“(Immer Eile mit Weile). Erasmus von Rotterdam erklärt das Zeichen so: „Der Kreis bedeutet die ewige Zeit, weil er durch kein Ende beschlossen wird; der Anker bedeutet die Langsamkeit, weil er das Schiff verzögert und anhält. Der Delphin drückt die Schnelligkeit aus, weil kein anderes Tier im Angriff gefährlicher und schneller ist als dieses. Wenn man diese kundig zusammenfügt, ergeben sie den Spruch „semper festina lente“ – und diese Art der Schrift hat nicht nur eine hohe Würdigkeit, sondern bietet auch nicht geringen Genuss, wenn man nur die Eigenschaft der Dinge völlig durchschaut.“ (1508) An der Einschätzung durch Erasmus lässt sich ablesen, dass Hieroglyphik und Rebus für die Humanisten weit mehr waren als gelehrte Spielerei. Indem er von einer Schrift spricht, betont er den Vereinbarungscharakter der Bildzeichen. Tatsächlich hat von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert hinein Kenntnis solcher Symbolik bestanden.

Eine Vorform des
Rebus beschreibt schon Petronius im Satyricon. In der Episode „Das Gastmahl des Trimalchio“ werden Geschenke für die Gäste herangetragen, und ein Sklave ruft sie aus:

Quecksilber! – man brachte ein Büschel Quecken und einen silbernen Dinarius; Goldlack! – eine Goldmünze in einem kleinen Tiegel mit Lack; Almosen! – auf einer Silberschale brachte man einen Aal, der in Moos gebettet war; Unterkleidung! – unter einem silbernen Schälchen voll Kleie eine Bronzeschale mit Pferdemist.

Die Beispiele stammen freilich vom Übersetzer Harry C. Schnur. Sprachspiele lassen sich nicht von einer Sprache in die andere übersetzen, sondern müssen für die jeweilige Sprache neu erfunden werden, – ein interessantes Übersetzungsproblem. Eine ähnliche Form der Rebusverschlüsselung fand der englische Schriftforscher I. Gelb in einer Geschichte des ungarischen Schriftstellers Mór Jókai: „Ein Mann sendet einem anderen ein Päckchen Kaffee, um ihn vor der Polizei zu warnen. Diese Geschichte kann nur auf der Basis phonetischer Übereinstimmungen verstanden werden, denn das ungarische Wort für Kaffee ist ‚kávé’ und ähnelt dem lateinischen Wort ‚cave’‚ hüte dich!’“

Als Erfinder der heutigen Rebusform gilt der vielseitige Florentiner Architekt und Kunsttheoretiker Leon Battista Alberti, der unter anderem die theoretischen Grundlagen der Zentralperspektive bedacht hat. Berühmte Persönlichkeiten dieser Zeit haben sich mit Hieroglyphik beschäftigt: Erasmus von Rotterdam, Albrecht Dürer, Francois Rabelais, Johann Fischart. Das Rebus als Abkömmling der Hieroglyphik ist nach Volkmann eine eigenständige Erscheinung in der Kulturgeschichte der Renaissance, „eine freie und selbstständige Schöpfung auf Grund halbverstandener Nachrichten antiker Schriftsteller.“ Bald nachdem es populär geworden war, tauchten solche Rätselinschriften auf Medaillen, Säulen, Ehrenpforten und Kunstgegenständen der Renaissance auf. Heute ist das Rebus trivial und in der Bäckerblume und in Rätselheften angekommen, wo ihm nur bescheidene Ecken zugewiesen werden. Zeit und Mensch banalisieren irgendwann alles.

Soweit die Theorie. Und jetzt die Praxis. Das obige sowie die unteren Rebusse stammen von zwei DIN-A4-Blättern aus den 90ern, die ich während einer Konferenz zu meiner und zur Unterhaltung meiner Kollegen vollgedoodelt habe. (Es war eine seeeehr lange Konferenz.)

In dem folgenden schwerer zu entschlüsselnden Rebus verbirgt sich das Motto des Teppichhauses, und das ist NICHT „Klaut alles“. Wer es rät, darf sich etwas wünschen. Manche Wünsche werden sogar erfüllt.



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